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Über die Definition des ARDS

Anlässlich der Arbeit an einem Konsensuspaper (1) wurde ich von einem Kollegen aufgrund meiner vorgeschlagenen Korrekturen mit folgender Frage herausgefordert: Wenn jemand mit einem ARDS stirbt, ohne dass er beatmet wurde, ist es dann definitionsgemäß kein ARDS gewesen, sondern eine Pneumonie ohne ARDS? Kurze Antwort: Nein. Definitionsgemäß ist für ein ARDS keine Beatmung, sondern lediglich ein PEEP von mindestens 5 cm H2O gefordert. Dieser kann als CPAP (Atemunterstützung, keine Beatmung! Jedoch landläufig von vielen intensivmedizinisch Tätigen als Beatmung tituliert) oder als nichtinvasive oder invasive Beatmung angelegt werden. (2,3,4) So gesehen: Ja. Wer nicht zumindest atemunterstützt wurde (und so interpretiere ich die Frage), hat nach Definition kein ARDS. Denn das Syndrom hat eben keine strikten Grenzen, sondern ergibt sich aus vielen Puzzlesteinen, zu denen auch (in der Definition) die adäquate intensivmedizinische Behandlung (mit Anwendung einer Form des positiven Atemwegsdruckes) gehört. Wir müssen also etwas tiefer gehen, da sich offensichtlich keine gänzlich zufriedenstellende Antwort ohne weitere Diskussion finden lässt. In der Task Force, die 2012 die Berlin-Definition erstellte, wurde sogar vereinzelt gefordert, die minimale Atemunterstützung auf 10 …

Consensus Statement zum Timing einer elektiven Operation nach SARS-CoV-2-Infektion

Mit Fortschreiten der Corona-Pandemie und größerer Anzahl an Erkrankten und glücklicherweise  wieder Genesenen stellt sich zunehmend die Frage ab welchem Zeitpunkt eine elektive OP sicher und sinnvoll ist und auf welche Besonderheiten Acht zu geben ist.  Hierzu gibt es ein multidisziplinäres Consensus Statement der Association of Anaesthetists, the Centre for Peri‐operative Care, the Federation of Surgical Specialty Associations, the Royal College of Anaesthetists and the Royal College of Surgeons of England. (1) Auch zu diesem Thema erwähnens- und empfehlenswert ist der hervorragende Podcast ACCRAC von Jed Wolpaw.  Folgende Empfehlungen wurden getroffen:  Shared decision‐making regarding timing of surgery after SARS‐CoV‐2 infection between patient and multidisciplinary clinical teams must consider: severity of the initial infection; ongoing symptoms of COVID‐19; comorbid and functional status, both before and after SARS‐CoV‐2 infection; clinical priority and risk of disease progression; and complexity of surgery. Planned surgery should not be considered during the period that a patient may be infectious: 10 days after mild/moderate disease and 15–20 days after severe disease. For patients who are severely immunosuppressed (online Supporting Information Appendix S1), …

Der diastolische Blutdruck in der CPR

Eine erneute Diskussion zum Thema Reanimation ist spätestens mit der PARAMEDIC2-Studie (1)wieder entflammt. Doch während diese Frage wohl eher philosophisch zu beantworten ist, wollen wir mit diesem Artikel einen näheren Blick auf ein bestimmtes Detail der Reanimation werfen.   “Performing CPR without measuring the effects is like flying an airplane without an altimeter” – Dr. Max Harry Weil at the Fourth Wolf Creek Conference, April 1996   Sowohl die ERC Guidelines 2015 (2)als auch ein Statement der AHA (3)empfehlen, dass der diastolischen Blutdruckwert während der CPR über 25 mmHg zu halten ist. Zunächst muss man dabei erwähnen, dass dieses Ziel natürlich nur überwacht werden kann, wenn man unter Reanimation einen arteriellen Zugang legt, was grundsätzlich empfohlen wird (2,3). Doch warum genau der diastolische Blutdruck? Schauen wir uns diesen Blutdruckwert noch einmal richtig an: Also die Diastole an sich entspricht der Füllungs- und Entspannungsphase des Herzens. Im rechten und linken Herzen herrschen jedoch unterschiedliche Druckverhältnisse, das Myokard ist ja auch unterschiedlich dick. Während das rechtsventrikuläre Myokard nun kontinuierlich mit Blut versorgt wird und am ehesten noch …

Alarm Fatigue: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht…

…auch wenn er dann die Wahrheit spricht. Eine alte Weisheit, die im klinischen Alltag, insbesondere in medizinischen Bereichen mit hohem Überwachungsaufwand, wie in (herzchirurgischen) Operationssälen, Intensive- und Intermediatecare Stationen, von großer Bedeutung ist. Obwohl Alarme uns bei der täglichen Arbeit unterstützen

Anfängerblog 2.0-Hyperkaliämie

Die ersten paar Nachtdienste sind vorbei und ich muss zugeben, trotz der ganzen Vorbereitung und genügend präklinischen Nachtdiensten, bin ich recht blauäugig in den ersten Dienst gestolpert. NotfallpatientInnen sind dann doch etwas anderes als das elektive Tagesprogramm. Der Gedanke, dass die nächste Hilfe nicht im OP nebenan, sondern ein paar Minuten entfernt ist, beruhigt einen auch nicht unbedingt. Eine Sache, die mir extrem geholfen hat, auch nach 20 h Dienst nichts zu vergessen und mich selber ein bisschen sicherer zu fühlen, ist mir eine Liste zusammen zu stellen. Wie diese Liste aussieht ist wahrscheinlich vollkommen egal und extrem fachspezifisch, aber dazu vielleicht später einmal mehr. Was ich aber auch gemerkt habe: eine Liste zu haben ist die eine Sache, aber sich dann wirklich die Zeit zu nehmen alles in Ruhe zu checken, wenn das halbe OP Team einem um ein Uhr in der Nacht genervt über die Schulter schaut, ist die andere Sache. Die wichtigsten Sachen bringen sie einem im Studium halt nicht bei, aber Durchsetzungsvermögen gehört wohl in jedem größeren Betrieb zum täglichen Leben dazu. …

Thorakale Bildgebung auf der Intensivstation.

Es galt lange Zeit als Standard of Care, bei Intensivpatienten täglich ein „Routine- Thoraxröntgen“ anfertigen zu lassen. Diese Tradition wurde von diversen Guidelines (1) gestützt, da insbesondere Daten aus den 1980er Jahren zeigten, dass dadurch neue oder unerwartete Befunde einen Einfluss auf die Therapieentscheidung hatten. In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Intensivmedizin und die Bildgebung deutlich verändert. Neue Methoden wurden etabliert, bestehende weiterentwickelt; Ausbildung und personelle Ressourcen sind im Wandel. In mehreren Studien wurde diese Praktik infrage gestellt. Dabei konnte gezeigt werden, dass auch ein restriktives Vorgehen den Patienten nicht schadet. (2, 3). So ist in den aktuellen Kriterien des American College of Radiology die Thorax-Röntgenaufnahme des Intensivpatienten nur mehr bei medizinischer Begründung empfohlen (4) Welche Bildgebung sollen wir also verwenden und wann ist eine Untersuchung indiziert? Thorax Röntgen Das Thorax Röntgen ist rasch bettseitig durchführbar. An personellen Ressourcen werden ein Radiologie-Technologe, ein bis zwei Pflegepersonen zur Lagerung und in der Folge ein Radiologe zur Befundung (Ausnahme: Der Pneumologe ist zur Befundung von Thoraxröntgen befugt) benötigt. Apparativ sind ein mobiles Röntgengerät und ein …

How to FOAM?

Als begeisterter passiver FOAM-Nutzer bin ich in die glückliche Zwangslage geraten, selbst einen Beitrag leisten zu dürfen. Konkret hat es damit begonnen, dass @FloSacherer ‏ und @PhZoidl für mich einen Artikel zum Thema Sinn und Nutzen von FOAM (air_mail_1_17_FOAM) verfasst haben. Im Gegenzug habe ich zugesagt, einen Beitrag für FOAMina zu schreiben. Das Thema Die erste Herausforderung war, ein geeignetes Thema zu finden. Was will ich sagen und warum? Zuerst habe ich mir überlegt, zu welchen Themen ich überhaupt etwas zu sagen habe, das die entsprechenden Leser bzw. Zielgruppe interessieren könnte. Da meine Notfallzeit schon länger zurückliegt und ich nicht anästhesiologisch tätig bin, bleibt von foam-INA „nur mehr“ die Intensivmedizin übrig. Ist recht praktisch, weil ich damit ja täglich zu tun habe… Dann habe ich selektiert, welche Themen auch tatsächlich für die Leser bzw. eigentlich deren Patienten von Nutzen sein könnten. Der ganze Prozess war in etwa analog zum Petrie-Triangle (Quelle: emcrit podcast vom 2.10. 2017), fraglich ist, ob ich die Welt damit wirklich zu einem besseren Ort mache… Und dann habe ich diese Themen noch …