Egal ob im Schockraum, auf Intensiv oder im Notarztdienst – immer kommt es dazu, dass wir Patienten an die nächste Stelle übergeben und damit auch unser Wissen über die jeweiligen Personen mit dem Ziel eine Kontinuität der Versorgung zu gewährleisten – man selbst ist ja nur ein Puzzle-Teil auf dem Weg. Das Handover Präklinik/Klinik ist dabei besonders heikel, weil viele Infos in weiterer Folge nicht mehr nachvollziehbar sind, wenn der Patient einmal im Krankenhaus ist.

Doch wer kennt es nicht – die Übergabe ist zu lang, zu kurz oder voller unnötiger Infos, etc.
Was macht eine „gute“ Übergabe aus, was benötigt man dafür und was sind unsere Ziele? Es geht dabei nicht nur um Schemata, sondern vor allem um die Schaffung von Bewusstsein, wie wichtig Handover sind, das Bereitstellen von Wissen zu dem Thema und Ideen wie man es anwenden und verbessern kann. Wir schauen uns dieses unbeliebte, jedoch immens wichtige Thema an.
Die klinische Übergabe
Sie ist die auf einen Punkt reduzierte Wahrheit, weshalb auch zwangsläufig ein Informationsverlust passiert und sie hängt sehr vom Ort und den Zeitressourcen ab. Eine Übergabe auf Intensiv muss zum Beispiel anderes beinhalten und ausführlicher sein als eine Übergabe vom Notarzt im Schockraum, wo Zeit ein wichtiges Thema ist und auch die Aufmerksamkeitsspanne der Teams begrenzt ist (wie wir gleich sehen werden).
Was bedeutet das Handover jedoch für die Patienten?
- Höhere Sicherheit (durch weniger Informationsverlust)
- Dokumentation (für übergebende und übernehmende Seite wichtig)
- Schnellere Weiterbehandlung wird erst dadurch ermöglicht
- Reduktion von Fehlern (33.8 -> 18.3%)
- Reduktion von verhinderbaren Ereignissen (3.3 -> 1.5%)
Nun der schwierige Teil – um ein Handover „gut“ werden zu lassen, benötigt man beide Seiten. Beide müssen die Spielregeln kennen, was ja auch im beiderseitigen Interesse sein sollte um eine Schnittstelle möglichst gut zu überwinden. Eine goldene Regel – unabhängig vom Ort – ist:
„Hands OFF, Eyes ON, mouth SHUT“
Dabei ist es in der Regel die Aufgabe des übernehmenden Teamleaders das Team so zu instruieren, dass für den (oftmals unbekannten) Übergeber die Rahmenbedingungen optimal sind. Sollte das nicht funktionieren, kann/soll man das als übergebende Person auch einfordern.
Übergebende Seite
- Vorbereitet sein!
- Schema verwenden/Aufschreiben/Kurz vor Ankunft durchdenken
- ÜBEN (Zuhause vor dem Spiegel, vor befreundeten Kolleginnen, etc.)
- DOs
- Sich vorstellen
- Ruhe einfordern
- (Falls möglich) Patienten vorwarnen, dass gleich eine Übergabe an das Krankenhausteam erfolgen wird
- Blickkontakt mit Team – nicht aufs Protokoll/Patient
- Klare, deutliche Sprache verwenden
- Zum Schluss Raum für Fragen lassen
- Bestätigen ob Infos verstanden wurden (closed loop)
- Relevante Photos verwenden (Unfall, etc.)
- DON’Ts
- Nur einer Person übergeben – man übergibt immer allen
- Zu leise
- Zu schnell
- Pausen/Unterbrechungen
- Am falschen Ort (beim Hineingehen ins KH zB)
- Zu viel Infos
- Idealerweise keine Verlegenheitslaute/Versen (deshalb vor anderen üben!)
- Gleich nach dem Handover verschwinden (außer es gibt einen Folgeeinsatz)
Wenig überraschend sollte man all das üben, da es eben ein wichtiger Teil der Patientenversorgung ist. Wie bei allem spielt Selbstreflexion eine essentielle Rolle, jedoch bleibt dadurch ein „Blind Spot“ übrig, weil man vieles von sich selbst nicht betrachten kann.
Persönliche Faktoren spielen eine wichtige Rolle, denn nicht alle stehen gerne im Mittelpunkt bzw. wollen vor anderen Menschen reden. Allerdings geht es ja auch nicht um einen selbst, sondern um den Patienten, den man vorstellt. Die non-verbale Kommunikation macht auch hier einen großen Teil aus.
Es wurden verschiedene Positionen zwischen den Personen evaluiert, die in ein Handover involviert sind:
- „Poker Hand“: Die übergebende Person liest von einem Zettel ab, den der Rest nicht sieht. Auch wenn das für die übergebende Person „einfacher“ sein mag, so ist es für die Zuhörer nicht optimal, besonders wenn man ständig davon abliest, da man die Aufmerksamkeit des Auditoriums leicht verliert.
- „Joint focus“: alle Involvierten haben genau den gleichen Fokus. Diese Technik kommt wieder einmal aus der Luftfahrt, wo beide Piloten die gleiche Checklist, das gleiche Cockpit und den gleichen Fokus haben. Obwohl berichtet wird, dass das sehr viele Vorteile hat ist so eine Situation im Schockraum jedoch nicht gut anwendbar.
Übernehmende Seite
- Vorbereitet sein!
- Team instruieren
- „Störende“ ermahnen, Konsequenzen nennen (wegschicken)
- Wer muss da sein, wer nicht?
- DOs
- Für Ruhe sorgen
- KEINE Hierarchie anwenden!
- Ablauf definieren (zuerst Pat. umlagern? Stabil/instabil?Plan?Zeit?)
- Erwartungen verbalisieren
- Unterbrechungen minimieren
- Respektvoll sein
- Interesse zeigen
- Interesse beibehalten
- Erst nachträgliche Evaluation der Info
- Informationsorganisation
- DON’Ts
- Unhöflich sein
- Kritisieren/Denunzieren
- Nicht zuhören
- Gleichzeitig Schreiben und Zuhören (Multitasking geht bei aktivem Zuhören nicht)
Dass ein wertschätzender Umgang wichtig ist sollte gar nicht erwähnt werden müssen. Auch ein kurzes Feedback im Anschluss an das Handover von beiden Seiten kann helfen diesen Prozess zu verbessern.
Das bringt uns zum nächsten Thema – dem Zuhören
Man unterscheidet in der Psychologie 4 Arten:

- Aktives Zuhören: die Königsdisziplin, da anstrengend – abhängig von der Dauer, man hört zuerst zu, verarbeitet dann die Infos, evaluiert sie danach und antwortet/handelt erst dann
- Evaluatives Zuhören: Man hört zu, denken sofort über das Gesagte nach und verpasst dadurch ev. wichtige Infos
- Marginales Zuhören: Man hört zwar etwas zu (Stichworte), interessiert sich aber eher für anderes
- Nicht-Zuhören: offensichtlich, sind meist die störenden Personen im hinteren Bereich vom Schockraum
Abhängig von Konzentrationsressourcen (zB nachts bei Schlafmangel), ungestillten Bedürfnissen (Hunger, Harndrang, …) und persönlichen Erfahrungen wird die Qualität des Handovers somit zum Großteil vom übernehmenden Team beeinflusst. Das kann der Übergebende also nicht wirklich ändern.
Die lieben Schemata
Gerade in stressigen Momenten ist es sinnvoll Tools zu verwenden, die Qualität sichern und dafür wurden zahlreiche Schemata für das klinische Handover entwickelt. Über einzelne wurde bereits auch auf anderen FOAMed Seiten berichtet. Hier zählen wir euch ein paar davon auf:
SCHEMA | Quelle/Zum Nachlesen |
SBAR | #FOAM |
iSoBAR | National Clinical Handover Initiative |
SHARED | OSSIE Guide |
MIST | Artikel |
ATMIST | #FOAM, Nerdfallmedizin |
IMST AMBO | Review |
ASHICE | Artikel |
Fazit: Es gibt genug Schemata, wobei jedoch keines und alle funktionieren. Es gibt breite (SBAR, ABCDE), spezifische (ATMIST) und selbst kreierte Schemata, die von vielen Faktoren abhängen: der vorgebenden Institution, dem Übergebenden und dessen Persönlichkeit (strukturiert, unstrukturiert, Lerntyp, usw.). Freestyle liegt den allerwenigsten und selbst dann kommt es durch andere Faktoren, eben zB Schlafmangel, oft zu Problemen. Außerdem sind Informationen immer auch subjektiv, was den Filterprozess wieder von der Person abhängig macht.
Von Krankenhäusern für die Präklinik vorgegebene Schemata haben den Vorteil, dass alle wissen, was verwendet werden soll und man auch Dokumente so aufbauen kann. Allerdings entstehen auch hier Probleme, „One size fits all“ existiert nicht, manche kommen besser damit zurecht als andere.
Training und Wissensbereitstellung zu dem Thema ist jedoch wichtig. Manche Länder sind da bereits weiter, wie zum Beispiel Australien. Unter diesem Link findet man Zugang zu etlichen Materialien. Aber auch Europa hat mit dem „Handover Project“ erkannt, dass die Verbesserung dieses Themas wichtig ist.
Zu guter Letzt: wir sind alle nicht perfekt – Faktum. Obwohl das Handover so wichtig ist, wird erfahrungsgemäß in Simulationen/Falldiskussionen/etc. kaum wert darauf gelegt es zu verbessern. Wie wir gesehen haben, hängt unsere verbale und non-verbale Kommunikation von sehr vielen teils beeinflussbaren/teils nicht-änderbaren Faktoren ab. Das EINE Schema, das alles kann gibt es nicht und ist nicht nur vom System, sondern auch den involvierten Personen abhängig. Eine Struktur hingegen ist auf jeden Fall sinnvoll und zeigt auch in etlichen Studien eine Verbesserung.
Wir sollten prinzipiell jedem unterstellen, dass er/sie ihr Bestes versucht und sich etwas bei Maßnahmen gedacht hat – beim Setzen als auch beim Unterlassen. Besonders in der Präklinik kommen so viele Informationen auf einen zu, die man teils nur schwer filtern kann. Spätestens in einem „cold debriefing“ sollte jedoch auch auf das eingegangen werden.
Vor allem, wenn man als Übernehmender die Präklinik nicht kennt, kommt es manchmal zu Unverständnis, weil im immer warmen, sicheren und ressourcenreichen Krankenhause die Situation meist eindeutiger ist.
Lasst uns alle das verbessern, was auch wirklich in unserem Einflussbereich ist – nämlich man selbst und dann erst sollten wir gemäß den Regeln des aktiven Zuhörens neutral und konstruktiv Meinungen verbreiten.
In diesem Beitrag wurde auf explizites Gendern im Sinne des Leseflusses verzichtet. Es sind jedoch alle gleichermaßen gemeint.
Referenzen
- Hunsaker PL, Alessandra T, Alessandra AJ. The new art of managing people, updated and revised: Person-to-person skills, guidelines, and techniques every manager needs to guide, Direct, and Motivate the Team. Simon and Schuster Inc; New York NY, USA: 2008
- Philibert I, Barach P. The European HANDOVER Project: a multi-nation program to improve transitions at the primary care—inpatient interface. BMJ Quality & Safety 2012;21:i1-i6.
- Jahromi VK, Tabatabaee SS, Abdar ZE, Rajabi M. Active listening: The key of successful communication in hospital managers. Electron Physician. 2016 Mar 25;8(3):2123-8. doi: 10.19082/2123. PMID: 27123221; PMCID: PMC4844478
- Frankel RM, Flanagan M, Ebright P, Bergman A, O’Brien CM. Context, culture and (non-verbal) communication affect handover quality. BMJ Quality&Safety. http://dx.doi.org/10.1136/bmjqs-2012-001482
- Safe Handover. BMJ 2017;359:j4328
- https://www.paramedicpractice.com/features/article/clinical-handover-of-the-trauma-and-medical-patient-a-structured-approach