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Die „neue“ Trauma-CPR

Wie ihr sicher bereits wisst sind vor kurzem die neuen Guidelines der ERC erschienen (super zusammengefasst auf Nerdfallmedizin).

Hier wollen wir uns noch einmal im Detail den neuen Trauma-Reanimationsalgorithmus anschauen und auf die wichtigsten Änderungen eingehen.

Auf den ersten Blick hat sich nicht viel getan. Dennoch gibt es wichtige Ergänzungen, die sich der aktuellen Literatur zunehmend angleichen.

Wichtig ist zu erwähnen, dass der Trauma-Algorithmus, in ein gut funktionierendes System eingebaut werden muss.

Wie bei anderen zeitkritischen Notfällen ist eine „chain of survival“ notwendig, um ein möglichst gutes Outcome zu erzielen. Somit ist im Vorfeld ein Konzept zu erstellen, wie man solche Patienten im Rettungsdienst, Schockraum, etc. behandeln wird nach den Vorgabe der Richtlinie. Dieses muss bereits im Vorfeld organisiert und vor allem trainiert werden. Auch das wird in den neuen Guidelines mehrfach unterstrichen.

Wie bereits beim letzten Update stehen die reversiblen Ursachen und deren Behebung ganz klar im Vordergrund. Wenn es sich also um einen offensichtlich traumatischen Herz-Kreislauf-Stillstand (HKS) handelt (diagnostiziert über den Verlust des zentralen Pulses), dann muss man sich simultan um die reversiblen Ursachen kümmern:

  • Hypoxie
  • Hypovolämie
  • Herzbeuteltamponade
  • Spannungspneumothorax

(Achtung, die reversiblen Ursachen unterscheiden sich von denen des ALS Algorithmus).

Um das zu gewährleisten soll man externe Blutungsquellen so schnell es geht stoppen „turn off the tab“. Tourniquets sind hier zum Beispiel die schnellste und effektivste Maßnahme. Um Hypoxie zu bekämpfen muss man verlässlich Sauerstoff zuführen, was im HKS auf eine Atemwegssicherung hinausläuft.

Eine Besonderheit ist sicher, dass man im traumatischen HKS beidseitig thoraxdrainieren soll. Man muss also gar nicht erst Zeit verschwenden diesen auszuschließen oder zu bestätigen, sondern gleich damit loslegen – auch deshalb, weil man das für eventuell weitere Schritte sowieso braucht (Clamshell). Auch wird erwähnt, dass Thorakostomien eventuell schneller durchzuführen sind als das tatsächliche Einbringen eines Drains.
Relativ weit unten in der Reihenfolge steht der Beckengurt, der angelegt werden soll. Aber nicht vergessen – man sollte im Idealfall möglichst simultan alles erledigen, weshalb die Zahlenfolge keine Priorisierung der Maßnahmen bedeutet, auch wenn das vom Design her ungünstig mit Zahlen gelöst wurde.

Erstmals im Algorithmus befinden sich nun Blutprodukte und die Anwendung eines Massivtransfusionsprotokolls – das ist ein wirklicher Gewinn. Nur so kann ein relevanter Blutverlust sinnvoll bekämpft werden und da der Algorithmus ja auch präklinisch Gültigkeit besitzt, sollte man sich Gedanken über die Umsetzung dessen machen, wie in anderen Gebieten der Welt schon lange geschehen, wo präklinisch Blutprodukte verfügbar sind (USA, UK, Israel, Norwegen, zum Beispiel). 

Eine der Key messages lautet: „Don’t pump an empty heart – fill it (with blood)“! 

Zum Drücken kommen wir gleich, es ist aber wichtig zu erwähnen, dass das Herz bei Hypovolämie mit Blut gefüllt wird und das macht vor allem bei Transportzeiten von über 20 min zum Krankenhaus auch einen echten Überlebensvorteil.
Die Anwendung von Tranexamsäure wird klarerweise empfohlen.

Zeit ist die vermutlich wichtigste Intervention beim Trauma und in den neuen Guidelines wird darauf hingewiesen, dass möglichst kurze prähospitale Zeiten mit einem besseren Outcome einhergehen.

Bei penetrierendem Trauma besteht die Möglichkeit einer Herzbeuteltamponade und diese muss gegebenenfalls schnellstmöglich entlastet werden.

Außerdem sollte man auch eine proximale Blutungskontrolle erwägen, entweder über „resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta“ (REBOA) oder über eine direkte manuelle Kompression der Aorta. Diese Maßnahme kann jedoch nur offen erfolgen, sodass man hier möglichst bald über die Durchführung einer Thorakotomie nachdenken sollte – ungeachtet des Mechanismus (stumpf vs. penetrierend). Auch das ist eine Neuerung des Algorithmus, welche im Detail liegt. Die 4 E’s, die dafür erfüllt sein sollten sind unlängst aus dem alten Update bekannt. Das Zeitlimit ist auf 15 min. nach Verlust der Vitalzeichen gesetzt worden. Innerhalb dieser Zeit sollte man also die Thorakotomie durchführen – man muss also gegebenenfalls schnell sein. Ob man nun REBOA oder eine Thorakotomie durchführt, hängt wesentlich von der Situation ab und es wird erwähnt, dass bisher keine der beiden Maßnahmen besser als die andere wäre. Angedeutet wird aber, dass offene Herzkompressionen laut einer Studie besser wären als Geschlossene.

Interessanterweise wird in diesem Update auf den neurogenen Schock kurz eingegangen, der per se auch zum Kreislaufverlust führen kann. Mit einer simultan vorliegenden Blutungsquelle ist aber das Risiko, dass es zu einem traumatischen HKS kommt, noch zusätzlich erhöht.

Don’t pump an empty heart

ERC 2020

Nun zu den Thoraxkompressionen. Für mich persönlich ist das die wichtigste „Neuerung“, die diesmal viel klarer kommuniziert wird. Die simultane Behebung der reversiblen Ursachen nimmt klar die Priorität ein und die Thoraxkompressionen dürfen das nicht verzögern. Wenn man also präklinisch nur zu dritt wäre und entsprechende Kompetenzen hat, muss man zunächst Blutungen stillen, Atemweg sichern, thoraxdrainieren, etc. Da bleibt keine Ressource übrig für die Thoraxkompressionen. Somit liegt in diesem Detail die wohl größte mentale Änderung, weil wir uns angewöhnen müssen es zu ertragen, dass in der Traumasituation das Drücken zunächst nichts bringt. Da wir es gewohnt sind beim ALS genau das Drücken möglichst gut zu machen, ist es also vor allem im Kopf ein klares Umdenken, das in der Realität sicher zunächst befremdlich wirkt. Es muss aber die Pathophysiologie mitbedacht werden und da hat es keinen Sinn ein leeres Herz zu massieren. Daher auch ein klarer Satz des ERC: „Don’t pump an empty heart“!

Ultraschall sollte, ohne Verzögerungen zu provozieren, im Rahmen der CPR verwendet werden. Man kann besonders beim Trauma wichtige Entscheidungen in kurzer Zeit darauf basieren und Pathologien entdecken, muss sich aber auch der Limitationen bewusst sein.

Bei der Bekämpfung der Hypoxie werden die Folgen einer Überdruckbeatmung erwähnt, welche auch in einen HKS münden können. Wie die Sicherung der Ventilation und Oxygenierung durchgeführt werden soll, wird nicht genannt, jedoch sollte man eher niedrige Tidalvolumina verabreichen.

Wurde nach Behebung der reversiblen Ursachen kein ROSC erzielt, sollte man über die Beendigung der Maßnahmen diskutieren. Falls jedoch ein Spontankreislauf wiederhergestellt werden konnte, so ist präklinisch ein möglichst schneller Transport in ein geeignetes Traumazentrum anzustreben. Wenn man sich bereits im Krankenhaus befindet, soll man mit Damage Control Surgery oder Resuscitation weitermachen.

Da der Algorithmus für alle verschiedenen Anwender anwendbar bleiben soll (Sanitäter bis Notarzt), hängen die Maßnahmen klarerweise von den Kompetenzen des Teams ab. Die „Basics“ (besser „Essentials“) wie zum Beispiel externe Blutstillung, Hypoxiebekämpfung oder Wärmemanagement sind aber allen Teams zumutbar.

Was bleibt übrig:

  • Reversible Urachenbekämpfung hat absolute Priorität und darf auch durch Thoraxkompressionen nicht verzögert werden!
  • Blutprodukte sollen verwendet werden, um das leere Herz wieder zu füllen
  • Egal wie der Mechanismus war, eine proximale Blutkontrolle (ob geschlossen via REBOA oder offen über Clamshell) ist zu erwägen
  • „Don’t pump an empty heart“

Referenz: https://cprguidelines.eu – Special circumstances

Alle Benennungen sind genderneutral zu werten und nur um den Lesefluss nicht zu unterbrechen, wurde eine Ausdrucksweise verwendet.

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