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Das Handover

Egal ob im Schockraum, auf Intensiv oder im Notarztdienst – immer kommt es dazu, dass wir Patienten an die nächste Stelle übergeben und damit auch unser Wissen über die jeweiligen Personen mit dem Ziel eine Kontinuität der Versorgung zu gewährleisten – man selbst ist ja nur ein Puzzle-Teil auf dem Weg. Das Handover Präklinik/Klinik ist dabei besonders heikel, weil viele Infos in weiterer Folge nicht mehr nachvollziehbar sind, wenn der Patient einmal im Krankenhaus ist. Doch wer kennt es nicht – die Übergabe ist zu lang, zu kurz oder voller unnötiger Infos, etc.Was macht eine „gute“ Übergabe aus, was benötigt man dafür und was sind unsere Ziele? Es geht dabei nicht nur um Schemata, sondern vor allem um die Schaffung von Bewusstsein, wie wichtig Handover sind, das Bereitstellen von Wissen zu dem Thema und Ideen wie man es anwenden und verbessern kann. Wir schauen uns dieses unbeliebte, jedoch immens wichtige Thema an. Die klinische Übergabe Sie ist die auf einen Punkt reduzierte Wahrheit, weshalb auch zwangsläufig ein Informationsverlust passiert und sie hängt sehr vom Ort …

Fallbeispiel: Unklares Schockgeschehen

Dezember 2016 Es ist 04:30 Uhr morgens als uns (4 Besatzungsmitglieder) der Notruf weckt. Wir werden zu einer Wohnung gerufen, in der ein 23a alter Mann laut Mutter schwer erweckbar ist, seit 3 Tagen bereits schläft und „etwas genommen haben soll“. Zu dieser Uhrzeit fällt es zugegebenermaßen nicht gerade leicht, das als schwerwiegend zu finden, da auch ich um 4:30 Uhr üblicherweise schwer erweckbar bin. Nichts desto trotz machen wir uns auf den Weg und erreichen kurz darauf den Einsatzort, eine kleine Wohnung im Hochparterre, leicht erreichbar und keine Gefahrensituation auszumachen. Ein RTW ist bereits vor Ort, hat begonnen die Vitalparameter zu checken und übergibt uns das. Der erste Eindruck ist alles andere als beruhigend:  ein junger Mann, nur mit Boxershorts bekleidet in einem großen Bett liegend, das von 2 Seiten her zugänglich ist, somnolent und unruhig, sobald man Kontakt mit ihm aufnehmen will und zeigt ein blass-grau-marmoriertes Hautkolorit – also blickdiagnostisch OMG+! Die Überlastungsphase ist angekommen, denn gleichzeitig wird das Monitoring angeordnet, ein i.v. Zugang gelegt, Sauerstoffverabreicht und ich beginne von der Anwesenden – deutlich besorgten – …

Warum hilft Insulin bei Kalziumkanalblocker-Intoxikation?Pathophysiologische Grundlagen.

Im letzten Beitrag wurde über eine Expertenkonsensus-Empfehlung zu Kalziumkanalblocker-Intoxikation geschrieben. Unter anderem wurde darin auch eine hochdosierte Insulintherapie empfohlen. Zwar nur eine Grad D Empfehlung aber immerhin. Aber wieso soll Insulin dabei überhaupt helfen!? Es dreht sich anscheinend vieles um den L-Typ Kalziumkanal (aka Dihydropyridin-Rezeptor). Bei einer direkten Blockade dieses Kanals durch die Kalziumkanalblocker kommt es im Myokard zu einer Verminderung der Inotropie, Dromotropie und Chronotropie an der glatten Muskulatur zu einem Absinken des Gefäßtonus. an den β-Zellen des Pankreas zu einer verminderten Insulinausschüttung und beeinträchtigt somit die Glukoseaufnahme. Hypoinsulinaemia and insulin resistance could be cornerstones in the pathophysiology of CCB cardiovascular toxicity, beside the direct effect of calcium channel blockade. Dies bedingt bei schweren Intoxikationen mit Kalziumkanalblockern eine Bradykardie, Weiterleitungsstörungen, eine periphere Vasodilatation und Hyperglykämie. Unter normalen (stressfreien) Bedingungen werden vom Myokard freie Fettsäuren als Energiesubstrat verwendet. Kommt es jedoch zu einer schweren Beeinträchtigung der Hämodynamik, steigt die Myokardzelle auf Glukose als Energielieferant um. Dies wird aber durch schlechte Perfusion und Hypinsulinämie verhindert. Der Mangel an Brennstoff und Energiespeichern verschlechtert den kardiovaskulären Zustand weiter (der ja bereits durch die …

Wer kennt Peter Pronovost?

Ich nicht, zumindest nicht bist heute. Ein Kollege hat mich auf einen Fehler von mir aufmerksam gemacht und mir als Begründung den Namen Pronovost gesteckt. Beim Nachlesen und Recherchieren war ich sofort ziemlich fasziniert. Peter Pronovost ist ein amerikanischer Anästhesist und Notfallmediziner an der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore der sich, kurz zusammengefasst, damit beschäftigt, das Gesundheitssystem und Krankenhäuser sicherer für PatientInnen zu machen. 2001 begann er nosokomiale Infektionen zu beobachten und schloss daraus, dass eine simple 5-Punkte-Checkliste die Cava-Kathether-Infektionen massiv sinken lassen könnte: Hände mit Seife waschen Haut der PatientInnen desinfizieren Sterile Abdeckungen über den/ die gesamte Patienten/in legen Sterile Maske, Haube, Mantel und Handschuhe anziehen Sterilen Verband/ Pflaster über das Katheter-Gebiet kleben In seiner „Keystone Initiative“ konnten 2003 in 108 Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen in Michigan die Infektionsraten auf typischen ICUs von 2,7/ 1000 PatientInnen auf 0 bzw. die Katheter-assoziierten Infektionen um 66% gesenkt werden, die Ergebnisse wurden 2006 sogar im New England Journal of Medicine publiziert. In den ersten 18 Monaten dieser Initiative konnten unglaubliche 1500 Leben gerettet und 100 Mio. $ gespart …

Vortrag Neue Medien …

Hier eine kleine Zusammenfassung meines Vortrages von Samstag am AGN-Kongress: Über die Entstehung von FOAM, die Vor- und Nachteile sowie ein paar Links zu den wichtigsten Blogs für mich.   Wir kennen alle die Probleme von klassischer Präsenzlehre wie Vorträgen, Seminaren oder ähnlichem: Wir sind nicht immer gleich gut aufnahmefähig, müde nach Nachtdiensten, haben keine Zeit neben Berufsleben und Familie. Außerdem ist in manchen Fällen die Qualität fragwürdig oder für uns unbefriedigend und für unseren aktuellen Wissensstand inadäquat. Seit ca. 2012 hat sich über das Internet eine Alternative zu klassischen Fortbildungsmöglichkeiten entwickelt: FOAM. Sei es über klassische Social-Media Kanäle wie FB oder Twitter, sei es direkt über Blogs: Der Name ist Programm. FOAM ist grundsätzlich einmal „Much more than educational social Media“. Es ist inzwischen eine gigantische unabhängige Ressource mit Blogs, Podcasts, Tweets, Videos, Hangouts, Grafiken, eigenen Apps etc. Nicht nur zu notfall-, intensivmedizinischen und anästhesiologischen Themen, aber diese Bereiche stellen den Ursprung und immer noch den größten Teil von FOAM dar. FOAM ist ein Werkzeug zum lebenslangen Lernen und inzwischen sogar eine sehr aktive …

Ausbildung in einer 48-Stunden-Woche?

oder: „Is quantity any substitute for quality?“ Das neue Arbeitszeitgesetz sieht vor, dass Ärzte ab 2021 durchschnittlich 48 Stunden pro Woche arbeiten, eine Opt-Out Möglichkeit  ist ab diesem Zeitpunkt auch nicht mehr vorgesehen. Aber können Ärzte in einer 48-Stunden-Woche gut genug ausgebildet werden? Hierzu hilft vielleicht ein Blick auf unsere Kollegen auf der Insel. Im Jahre 2009 mussten sich Mediziner in Großbritanien einer ähnlichen Herausforderung stellen. In diesem Artikel wird eine Pro – Con Debatte über eine Verkürzung der Arbeitszeit in Hinblick auf die Qualität der Ausbildung (und somit schlussendlich Qualität der Patientenversorgung) geführt. Pro: In einem Review  („time for training“) aus dem Jahr 2010 kommt Professor Sir John Temple (britischer Chirurg und ehemaliger Vorsitzender des Royal College of Surgeons of Edinburgh) zu dem Schluss, dass hochqualitative Ausbildung in einer 48-Stunden-Woche stattfinden kann, allerdings gibt es gewisse Hindernisse wie schlechte Supervision, limitierten Zugang zu Lernmöglichkeiten (begrenzte Patientenzahlen für bestimmte Prozeduren, begrenzte Zahl an Ausbildnern aber auch begrenzte Plätze zB in Skill-Centers) und dem Umstand, dass die meisten Auszubildenden auch eine große Rolle außerhalb der Routinearbeitszeiten – sprich in …

Entscheidungen am Lebensende

Nach ein paar wohlverdienten Tagen Pause auf unserem  Blog starten wir mit einem schwierigen Thema ins 2. Jahr von FOAMina (das neben diesem spannenden Artikel noch viele weitere Neuigkeiten bringen wird…): „Who am i to decide wether this person is to die today?“ ist der Titel eines Artikels, über den ich vor einigen Tagen gestolpert bin. In diesem von einem französischen Team um Fassier T. verfassten (und hochrangig im „Annals of Emergency Medicine“ publizierten) Artikel wird mittels semistrukturierter Interviews mit 24 Intensiv- und/ oder NotfallmedizinerInnen und „nonparticipant observations“ versucht, die Vor- und Einstellungen von MedizinerInnen zu Triage und End-of-life Decisions an älteren und kritisch kranken PatientInnen an der Schnittstelle Notaufnahme – Intensivstation zu ergründen. Dieser Artikel beschreibt, dass ärztliche Entscheidungen am Lebensende von Vorurteilen, Kommunikationsproblemen und Heuristiken beeinflusst werden. Sechs Leitthemen traten in den umfangreichen Analysen (324h Beobachtung!) zu Tage, wenige davon möchte ich hier kurz herausgreifen: 1.: Sowohl positive als auch negative Stereotypen von Alter und älteren Personen, die auf eigenen Erfahrungen beruhen beeinflussten die Entscheidungen. So kamen sowohl Bilder von fitten, noch voll im …

Warum wir wider besserer Evidenz trotzdem anders handeln….

Am Beispiel des viel zu oft angeordneten und abgenommenen präoperativen Blutbilds (jaja, das kennen wir in der Anästhesie nur zu gut: 18jährige, unauffällige PatientInnen, bei denen die gesamte Gerinnung analysiert wurde…) beleuchtet dieser aktuelle Artikel von Brateanu A et al. im „Cleveland Clinic Journal of Medicine“ warum wir oft gegen bessere Evidenz handeln. Ein paar Aspekte dieses sehr spannenden und unser Lernen auf einer Art Metaebene reflektierenden und kritisierenden Artikels möchte ich herausgreifen. 1.: Das kennen wir nur zu gut: es ist viel schwieriger, althergebrachtes Handeln, Abläufe etc. über Bord zu werfen („to discontinue“ schreiben die Autoren sehr passend) als neues zu implementieren. Das gilt nicht nur für die Medizin, aber bei uns ist das besonders ausgeprägt (Stichwort: „Eminenz-based Medicine“). 2.: Die Komplexität und die Anzahl der Guidelines und Empfehlungen hat in den letzten Jahren massiv zugenommen – unsere Zeit, diese zu lesen, jedoch nicht. So hat beispielsweise die Anzahl der References in der ACC/ AHA- Executive Summary zu den Perioperative Guidelines von 96 im Jahr 2002 auf 252 im Jahr 2014 massiv zugenommen. Daraus …