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Medikamentendosierungen bei Adipositas

„Fett kann man nicht relaxieren“ ist eine gängige Aussage, wenn es um die Dosierung von  Muskelrelaxanzien geht. Somit immer nach idealem Körpergewicht dosieren! Aber stimmt das immer oder gibt es Ausnahmen? Und wie werden andere gängige  Anästhetika bei übergewichtigen Patienten dosiert?Eine interessante Übersichtsarbeit aus dem BJA gibt Details dazu preis.(1)

Dosierungen werden normalerweise im Zusammenhang mit dem Gesamtkörpergewicht angegeben. Bei normalgewichtigen Menschen sind ideales und Gesamtkörpergewicht ähnlich.  Bei adipösen Menschen jedoch kommt es zu einer nicht unerheblichen Abweichung von idealem- und Gesamtkörpergewicht.

Kurz zu den Begriffen:

Gesamtkörpergwicht (total body weight): erklärt sich von selbst.

Ideales Körpergewicht (ideal body weight):  Was die Patienten wiegen sollten. Normales Verhältnis von Mager- zu Fettmasse. Abhängig von Alter und Geschlecht:

Größe (in cm) – x
(x bei Männern= 100, x bei Frauen= 105)

Magermasse (lean body weight): Quasi fettfreie Körpermasse. Also Gesamtkörpergewicht minus dem Speicherfett. Diese lässt sich zwar ebenfalls berechnen, aber die Formel dazu ist viel zu komplex um sie sich jemals merken zu können. (einfach mal die Formel zu lean body mass googeln). Ben Shippey von der Universität Dundee, hat bei seinem #SMACCDub Vortrag folgende Formel vorgeschlagen:

(Größe in cm -100) + ¼ der Differenz zum Gesamtkörpergewicht.

Definitv leichter zu merken. Anzumerken sei noch, dass das LBW bei Männern selten 100kg und bei Frauen selten 70 kg übersteigt.

Bei Adipositas permagna (APM) – Patienten  steigen der Fettanteil und das LBW nicht proportional zueinander. Der Fettanteil steigt stärker an (siehe Abbildung 1). Das Herzzeitvolumen regelt die frühe Umverteilung vieler Medikamente und korreliert stark mit dem LBW. Der Großteil des Cardiac Outputs geht an das gefäßreiche Gewebe (=LBW) da Fettgewebe schlecht durchblutet wird. Eine Medikamentenverabreichung nach Gesamtkörpergewicht führt daher bei APM-Patienten meistens zu einer Überdosierung.

 

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Abbildung 1. aus (2)

Nun zu ein paar Medikamenten:

Propofol: ist sehr lipophil. Eine Umverteilung vom Gehirn ins Plasma und anschließend in das periphere Gewebe erklärt dessen kurze Wirkdauer nach einer einzigen Dosis.
Zur Narkoseeinleitung sollte man sich an das LBM halten, zur Narkoseaufrechterhaltung (TIVA) aber an das Gesamtkörpergewicht. Adipöse Patienten brauchen in etwa gleich viel Propofol wie Normalgewichtige und die Zeit bis zum Bewusstseinsverlust ist ähnlich.

Etomidat: Ähnliche pharmakokinetische Eigenschaften wie Propofol, deswegen nach LBW dosieren. Spezielle Studien zu APM – Patienten gibt es laut diesem Artikel nicht.

Durch die rasche Umverteilung ins Fettgewebe wachen adipöse Patienten nach einer Einzeldosis eines Hypnotikums schneller wieder auf als nicht-adipöse Patienten. Laut dem britische NAP 5 (National Audit Project) Report über Awareness während  einer Allgemeinanästhesie könnte dies der Grund sein, warum eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an adipösen Patienten eine akzidentielle Awareness erlitten (sollte eine Dauerinfusion nicht schnell genug darauf verabreicht worden sein). Dieses Risiko ist bei Thiopental höher als bei Propofol.

Opioide: Obwohl die Lipophilie einzelner Opioide unterschiedlich ist, wird empfohlen alle Opioide initial nach dem LBM zu dosieren und dann bis zum gewünschten Effekt zu titrieren.

Muskelrelaxanzien: Hier stellt Succinylcholin die große Ausnahme dar. Die Menge an Pseudocholinesterase ist bei adipösen Menschen erhöht. Deswegen nach Gesamtkörpergewicht dosieren! Eine Dosierung von 1mg/kg Gesamtkörpergewicht führt zu verbesserten Intubationsbedingungen und tieferen Muskelblockade verglichen mit einer Dosierung von 1mg/kg nach idealem Körpergewicht.
In einer Studie (3) wurde berichtet, dass übergewichtige Patienten während einer RSI mit Succinylcholin eher unterdosiert werden als Normalgewichtige, was eben zu o.g. Problemen führen kann (schlechte Intubationsbedingungen).
Die restlichen Relaxanzien sollten nach idealem Körpergewicht dosiert werden.

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Abbildung 2. aus (1)

 

Dosierungen anhand des Gesamtkörpergewichts sind bei adipösen Patienten seltenst angemessen. Succinylcholin und die Erhaltungsdosis von Propofol stellen hier die Ausnahme dar. Man muss natürlich auch dazusagen, dass bei Narkoseeinleitungen, sowieso immer bis zum gewünschten Effekt dosiert werden sollte. Bei einer RSI sollte man schon über die Besonderheiten bei adipösen Patienten Bescheid wissen.  Der Begriff und die Dosierung des „lean body mass“ war mir bis jetzt noch nicht so geläufig, werde ich mir allerdings merken und scheint die geeignetste Formel für den Großteil der Anästhetika und Opioide zu sein.

Passenderweise anbei auch mein Eintrag zur #Smaccbyte-Competition: Ben Shippey’s Vortrag (Link siehe oben) zusammengefasst in einer Infographik:

Smaccbyte Sacherer german

 

Literatur und Abbildungen

  1. Ingrande, H. J. M. Lemmens; Dose adjustment of anaesthetics in the morbidly obese. Br J Anaesth 2010; 105 (suppl_1): i16-i23. doi: 10.1093/bja/aeq312
  2. Peri-operative management of the obese surgical patient 2015, Association of Anaesthetists of Great Britain and Ireland, Society for Obesity and Bariatric Anaesthesia
  3. Rahul Bhat et al. Accuracy of rapid sequence intubation medication dosing in obese patients intubated in the ED, The American Journal of Emergency Medicine, Volume 34, Issue 12, December 2016, Pages 2423-2425. doi:10.1016/j.ajem.2016.09.056. (Abstract)
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