Anästhesie, Atemweg, Leitlinie, Lokalanästhesie, Troubleshooting
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Wachintubation: Guidelines der Difficult Airway Society.

Beim diesjährigen World Airway Management Meeting wurden vor kurzem erstmalig Leitlinien zur Wachintubation bei Erwachsenen präsentiert.

Die kompletten Leitlinien kannst du hier finden

Hier in Kurzform die wichtigsten Empfehlungen und Hintergründe.

  1. Indikationen/Kontraindikationen.
    Bei Hinweisen für einen schwierigen Atemweg muss die Wachintubation in Betracht gezogen werden.Die Vorhersage eines schwierigen Atemweges ist zwar unzuverlässig, dennoch sollte man natürlich bei jedem Patienten den Atemweg beurteilen und eine Anamnese hinsichtlich Intubationskomplikationen etc. erheben. Eine Auflistung typischer Hinweise gibt’s hier (Tabelle 1 und 2).Relative Kontraindikationen wären z.B. eine Allergie gegen Lokalanästhetika, Blutung oder unkooperative Patienten. Die einzig absolute Kontraindikation ist die Ablehnung durch den Patienten.
  2. Ergonomie, Ausstattung und Aufbau des Arbeitsplatzes.
    Hierzu bitte Abb. 1 der Originalpublikation ansehen.
  3. Human Factors.
    Eine Wachintubation kann Stress bedeuten. Nicht nur für den Patienten, sondern vor allem auch für den Durchführenden. Wie wir wissen kann Stress mit einer suboptimalen Performance einhergehen, was das Risiko von Komplikationen, einschließlich des Scheiterns, erhöht.
    Entsprechende Vorausplanung, Teamwork, gute Kommunikation und adäquate Vorbereitung sowie gut ausgebildete, kompetente Assistenten sind unverzichtbar.
    Die Sicherheit des Patienten sollte nicht durch den Zeitdruck anderer Mitarbeiter beeinträchtigt werden.
    Wenn eine ATI außerhalb des OPs durchgeführt wird (z.B. auf der Intensivstation oder in der Notaufnahme), sollten die gleichen Standards gelten.

  4. Fiberoptik oder Videolaryngoskop.
    Die Wachintubation mittels Videolaryngoskopie (ATI:VL) hat eine vergleichbare Erfolgsrate und ein vergleichbares Sicherheitsprofil wie mittels Fiberoptik (ATI:FB) (je 98,3%). Die Wahl der Techniken richtet sich nach Patientenfaktoren, Kompetenz des Durchführenden und Verfügbarkeit des Equipments.
    Es wird empfohlen das VL zu verwenden, mit dem man am meisten Erfahrung hat.

  5. Tubuswahl.
    Die sorgfältige Auswahl des Trachealtubus ist entscheidend für den Erfolg-die Verwendung eines Standard-PVC-Trachealtubus wird nicht empfohlen.
    Parker Flex-Tip™ und Tuben von Intubationslarynxmasken sind besser als Standard PVC-Tuben. Den Tubus mit dem kleinstmöglichen Durchmesser verwenden und auf die korrekte Positionierung (=nach posterior) des Schliffes achten.
  6. Kognitive Hilfestellung.
    Wie z.B. eine Checkliste wird vor und während der Durchführung einer Wachintubation empfohlen.
    Die DAS-Checkliste gibt’s hier.
  7. Oxygenierung.
    Sauerstoff sollte vor und während der Durchführung verabreicht werden.
    Wenn verfügbar, sollte „high-flow nasal oxygen“ die Technik der Wahl sein.
  8. Topikalisierung.
    Falls die nasale Route geplant ist, Vasokonstriktoren verwenden (z.B. Phenylephrin).
    Lidocain ist das Medikament, das am meisten verwendet wird und ein günstiges Risikoprofil bzgl.  kardiovaskulärer und systemischer Toxizität besitzt.
    Dosis: max. 9mg/kg Lean Body Weight.
    Bzgl. der Methoden zur Topikalisierung (Vernebelung, MAD, Spray-as-you-go oder transtracheale Injektion) gibt es zu wenig Evidenz um eine einzige Methode zu bevorzugen-Blöcke sollten allerdings nur von Experten gemacht werden.
    Die Wirksamkeit der Topikalisierung sollte vor Beginn der Prozedur getestet werden (z.B. mit einem Absaugkatheter).
  9. Sedierung.
    Ist prinzipiell nicht notwendig und sollte, wenn, dann nur mit Vorsicht angewendet werden. Empfohlen werden Remifentanil oder Dexmedotomidin. Midazolam ist ebenfalls eine Option, da es antagonisierbar ist. Eine Sedierung sollte aber keinesfalls dazu verwendet werden um unzureichende Topikalisierung zu kompensieren.In der Tabelle 3 der Originalpublikation gibt es eine Übersicht über Merkmale der Medikamente, die häufig während der ATI verwendet werden.
  10. Vor Narkoseeinleitung sind unbedingt diese zwei Punkte zu beachten:
  • Visualisierung des Tracheallumens mit ATI:FB oder des Trachealtubus durch die Stimmbänder mit ATI:VL zur Bestätigung der korrekten Platzierung
  • Kapnographiekurve zum Ausschluss einer ösophagealen Intubation.

    Beim Entfernen des Bronchoskops ist darauf zu achten, dass es in Neutralstellung entfernt wird. Den Cuff kann man entweder vor, während oder nach Narkoseeinleitung blocken. Sollte man jedoch eine Cuffleck vermuten unbedingt davor überprüfen

  1. Technik: sTOP.
    Die Society ist sich bewusst, dass es viele verschiedene Wege gibt, sieht aber in der sTOP-Technik einen simplen, allgemein anwendbaren Zugang.
    sTOP steht für sedierung (bewusst klein geschrieben), Topikalisierung, Oxygenierung, Performance. Siehe dazu Abb. 2 der Leitlinie.
  2. Special Circumstences.
    werden in Tabelle 4 beschrieben.
  3. Management von Komplikationen.
    Komplikationen gibt es in bis zu 18% der Fälle, meist aufgrund mangelnder „sTOP“.
    Im Falle einer Komplikation sollte ihre Ursache ermittelt und angemessen behandelt werden. Wichtige Punkte:

    • sTOP sollte vor dem ersten Versuch optimiert werden
    • vor dem zweiten Versuch Hilfe holen
    • Einen 3. Versuch nur durchführen, wenn Bedingungen verbessert werden können
    • Jeder Versuch sollte eine Änderung der sTOP- Elemente mit sich bringen, um die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs zu erhöhen.
    • Die Verwendung eines anderen Geräts (z.B. FB zu VL oder umgekehrt) sollte bei der Gesamtzahl der Versuche berücksichtigt werden.
    • Jeder fehlgeschlagene Versuch kann das Zuversicht von Patient und Anwender beeinträchtigen.
    • Ein vierter und letzter Versuch (3+1) sollte nur vom Erfahrensten Anwender unternommen werden.
  1. Management der fehlgeschlagenen ATI
  • 100% O2 geben
  • Stoppen, Reversieren von Sedativa
  • STOP & THINK
  • Vorbereitung für eFONA (emergency Front Of Neck Access)
  • Weiterführendes Atemwegsmanagement nur wenn unbedingt notwendig
  • Mittel der Wahl wäre die Wach-Koniotomie bzw. -Tracheotomie
  1. Post-Intubationsmanagement
    Die Extubation ist ein ein ebenso heikler Moment wie die Intubation. Deswegen gibt es hierzu eigene Extubationsleitlinien der DAS die befolgt werden sollten. Vor der Extubation soll der Kehlkopf mittels FB oder VL inspiziert werden.
    Weiters muss man sich bewusst sein, dass Lidocain (dosisabhängig) bis zu 40 Minuten wirken kann, bis zur Rückkehr von laryngealen Reflexen kann es noch länger dauern.
    Deswegen sollten PatientInnen bis zu 2 Stunden später nüchtern bleiben.
  2. Training & Ausbildung
    Die erfolgreiche Durchführung einer ATI hat sich als unabhängig vom Dienstalter erwiesen, hängt aber mit der Erfahrung zusammen. Es gibt viele Möglichkeiten, die für das Training bezüglich der technischen Aspekte einer ATI verwendet werden können (Manikins, Simulatoren, Leichen und Patienten). Alle Anästhesisten sollten jede Gelegenheit nutzen, um Fähigkeiten rund um die ATI zu erwerben und zu erhalten- und alle Abteilungen sollten dies unterstützen.

    Awake tracheal intubation may be performed solely for the purposes of training provided appropriate consent is taken (Grade D).

These guidelines prioritise patient safety and provide recommendations for best clinical practice. It is hoped that they will lead to a paradigm shift in clinical practice and improve the care of patients with predicted difficult airway management in the UK and beyond.

 

Literatur:

Ahmad, I. , El‐Boghdadly, K. , Bhagrath, R. , Hodzovic, I. , McNarry, A. F., Mir, F. , O’Sullivan, E. P., Patel, A. , Stacey, M. and Vaughan, D. (2019), Difficult Airway Society guidelines for awake tracheal intubation (ATI) in adults. Anaesthesia. doi:10.1111/anae.14904

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