Anästhesie, Atemweg, Leitlinie, Prähospitale Notfallmedizin
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Videolaryngoskopie: Basics, Tipps und Tricks

Die Videolaryngoskopie ist in aller Munde und verschiedenste Modelle sind immer flächendeckender vorhanden.  Was gibt es wichtiges zu wissen und was sagen gängige Leitlinien und die Litaretur über die Videolaryngoskopie?

Prinzipiell unterscheidet man  3 Arten von Videolaryngoskopen anhand der Spatelform: (1)

  • mit einem macintosh-ähnlichem Spatel
  • mit einem stark gekrümmten (hyperangulierten) Spatel
  • mit einem Führungskanal für den ET-Tubus (klassischerweise das Airtraq Ⓡ)

So unterschiedlich diese Arten auch sind, so unterschiedlich sind natürlich auch die Meinungen und Empfehlungen darüber und jedes dieser Devices hat seine Eigenheiten bei der Atemwegssicherung. 

Aber fangen wir von vorne an. Hintergrund der Videolaryngoskopie (VL)  ist es das Auge des Betrachters von außen (=extraoral, wie bei der direkten Laryngoskopie) hin vor die Glottisebene zu verlagern.  Das bringt natürlich einige Vorteile mit sich (Cochrane Review, news-papers): 

  • die Sicht auf die Glottisebene ist verbessert
  • weniger fehlgeschlagene Intubationen
  • weniger Atemwegstrauma
  • weniger Heiserkeit
  • man benötigt eine geringere HWS-Reklination
  • die Assistenz kann mitschauen
  • steilere Lernkurve für DL (mit machintosh-ähnlichem Spatel)
  • könnte insgesamt leichter sein
  • weniger Fehlintubationen bei erwartet schwierigen Atemweg
  • erfahrene Anwender haben weniger fehlgeschlagene Intubationen

So weit so gut. Somit könnte man ja davon ausgehen, dass mit der VL alles ganz leicht von der Hand geht und immer erfolgreich verläuft.  

Allerdings gibt es laut dem o.g.  Cochrane Review keinen Unterschied bzgl.  der  Hypoxieraten, Mortalität oder des First Pass Success,  die natürlich interessante und vor allem immens wichtige Outcomeparameter darstellen. (2)

Steht bei der DL die fehlende Sicht oft ein Problem dar, ist es bei der VL die Passage des Tubus in die Trachea. Somit kommt es, va. bei den stark gekrümmten Spateln, zu einer Verlagerung des Problems.

Dadurch, dass alle 3 großen Gruppen unterschiedlich designt sind, haben sie auch unterschiedliche Probleme und man benötigt unterschiedliche Tipps & Tricks um diese zu lösen. Videolaryngoskop ist eben nicht gleich Videolaryngoskop.

 

Vergleich DL mit macintosh-ähnlichem VL: 

Für mich haben MAC-VL zumindest im innerklinischen Bereich nur Vorteile und ich verwende sie, sofern verfügbar, bei jeder RSI und zwar als

  • primär direktes Laryngoskop
  • und falls man dabei dann auf Probleme stößt, kann man noch immer den Bildschirm mitverwenden

Der Bildschirm hat nicht nur für den Intubateur Vorteile, sondern vor allem auch für die Assistenz. Man muss nicht mehr die Hand der Assistenz für ein BURP/ELM in Stellung bringen- der ganze Vorgang kann von allen Beteiligten mitverfolgt und somit effektiver ausgeführt werden. Auch das Absaugen wird erleichtert. Somit kombiniert man die Stärken der DL (gleiche Technik, direkte Sicht) mit denen der VL (Bildschirm falls nötig) und merzt die jeweils anderen aus. 

Dies wird ebenso in des S1 Leitlinien zum prähospitalen Atemwegsmanagement 2019 so beschrieben: 

„Empfehlung: Zur Optimierung der Einstellbarkeit der Stimmbandebene und des Intubationserfolges im ersten Versuch soll primär ein Videolaryngoskop mit Macintosh-ähnlichem Spatel zur endotrachealen Intubation eingesetzt werden.“

Die S1- Leitlinie Atemwegsmanagement 2015:

„Bei unerwartet schwieriger direkter Laryngoskopie kann mit diesem Spateltyp oftmals eine indirekte Visualisierung der Glottisebene erzielt werden“

 

Der hyperangulierte Spatel (HAL)

Mit einem sehr stark gekrümmten Spatel (z.B. D-Blade Ⓡ oder X-BladeⓇ) sieht die Sache ein wenig anders aus. Intubationen sind ja oft schwierig wenn der Kehlkopf sehr weit anterior liegt. Hier stellen die hyperangulierten Spatel sicher eine gute Lösungsmöglichkeit dar.


„Bei der indirekten Laryngoskopie stellt die Videolaryngoskopie heutzutage die wichtigste Technik für das Management des unerwartet schwierigen Atemwegs dar, da nach einem primär erfolglosen direkten Intubationsversuch hierdurch häufig eine korrekte Tubusplatzierung möglich ist“

-S1 Leitlinie Atemwegsmanagement 2015


Es kommt allerdings  zu einem Problemshift. Und zwar vom  Problem „Visualisierung“ zum Problem „Tubusplatzierung“. Dies ist ganz einfach durch diese Abbildung erklärt: hier öffnen

Man sieht zwar gut die bekannten Zielstrukturen, aber die Blickachse mit einem HAL Spatel stimmt mit nicht mit der Achse der Tubusplatzierung  überein. Wie Jürgen Knapp einmal geschrieben hat:

“Die beste Sicht bedeutet nicht immer die besten Intubationsbedingungen.“

HAL Spatel machen oft einen leichten Atemweg schwieriger und einen schwierigen Atemweg leichter.

Deswegen ein paar Tipps und Tricks zur Intubation bei stark gekrümmten Spateln: (S1 Atemweg und hier gefunden, )

  • immer einen der Spatelform angepassten Führungsstab verwenden
  • den Winkel beachten. Abbildung öffnen  
  • Mittiges Einführen des Spatels
  • absichtlich einen CL-Grad 2 anstreben (nicht 1)
    dies bewirkt eine Angleichung der Blick- und Intubationsachse zur Trachea und man stößt dabei seltener an den ersten, ventralen Trachealspangen an, was eine weitere Passage schwierig macht (“Kovacs Sign“, siehe Abbildung). 
  • den Tubusschliff ausnutzen.
    Der Schliff nach oben erleichtert das Einführen in die Trachea (siehe Abbildung)
  • genügend Abstand zwischen Kamera und Glottisebene lassen.
    Erleichtert das Manövrieren des Führungsstabes
  • HAL nur in Ausnahmefällen als primäres Atemwegstool verwenden
  • HAL muss geübt werden
  • Weitere Empfehlungen gibt’s hier: news-papers

Hierzu wieder die prähospitale S1-Leitlinien 2019: 

„Empfehlung: Um bei stark gekrümmten Videolaryngoskopspateln ohne Führungskanal den Tubus sicher zu platzieren, sollen Führungsstäbe verwendet werden, deren Krümmung an die Hyperangulation des Spatels angepasst wurde.“

„Empfehlung: Hyperangulierte Spatel können zusätzlich durch den geübten Anwender in besonders schwierigen Situationen verwendet werden.“

Man sieht also, dass sich die Intubationstechnik mit einem HAL Spatel schon ein wenig von macintosh-ähnlichen Spateln unterscheiden und Übung bedürfen.

 

Ausbildung & Videolaryngoskop:

Ich kann mich noch an meine ersten Intubationen erinnern. Oft lief es gut und hier und da war es schwierig. Das Problem war dann, dass der Anästhesist mir das Laryngoskop aus der Hand genommen und selbst intubiert hat. Natürlich irgendwie verständlich, aber mit der Videolaryngoskopie und dem Bildschirm ergeben sich neue Möglilchkeiten:  

  • Das Erklären der Atemwegsanatomie kann live bzw. im Nachhinein stattfinden (Videoaufnahmefunktion verwenden)
  • Beide können am Bildschirm mitschauen. Der Lehrende sieht woran es hakt und kann bessere Tipps geben
  • Für das Lernen der DL den Bildschirm einfach wegdrehen und der Lehrende schaut alleine via Bildschirm zu

Es hat sich gezeigt, dass im Vergleich zum Training mit einem direkten Laryngoskop das videogestützte Teaching  die Lernkurve der direkten Laryngoskopie und Intubation für die Lernenden verkürzen, die Intubationserfolgsrate verbessern und die Rate der Ösophagusintubation senken kann. (4, 3) 

Also beim nächsten Intubationsneuling: VL hernehmen!

 

Was sagen gängige Leitlinien über die Videolaryngoskopie?

 

DAS guidelines for management of unanticipated difficult intubation in adults 2015

 “All anaesthetists should be skilled in the use of a Videolaryngoscope. Videolaryngoscopes offer an improved view compared with conventional direct laryngoscopy and are now the first choice or default device for some anaesthetists.“

S1-Leitlinie Atemwegsmanagement 2015

„Bei der indirekten Laryngoskopie stellt die Videolaryngoskopie heutzutage die wichtigste Technik für das Management des unerwartet schwierigen Atemwegs dar, da nach einem primär erfolglosen direkten Intubationsversuch hierdurch häufig eine korrekte Tubusplatzierung möglich ist“

DAS Guidelines for the management of tracheal intubation in critically ill adults 2017

“A videolaryngoscope should be available and considered as an option for all intubations of critically ill patients. Those involved in critical care intubation should be appropriately trained in use of the videolaryngoscope(s) they may be called upon to use. If difficult laryngoscopy is predicted in a critically ill patient (MACOCHA score !3) videolaryngoscopy should be actively considered from the outset. If during direct laryngoscopy there is a poor view of the larynx, subsequent attempts at laryngoscopy should be performed with a videolaryngoscope”.

 

Wie siehts in der Präklinik aus?

Die Aussage der S1 Leitlinie prähospitales Atemwesgmanagement ist klar. Eine interessante Studie auf die ich getsoßen bis,  stammt passenderweise aus dem deutschen Notatrzsystem und unterstützt die o.g. Aussagen (5) Hier wurden 3 Videolaryngoskope miteinander verglichen: 2 mit herkömmlichen Macintosh-Spateln und die Möglichkeit auf einen stark Gekrümmten zu wechseln und eines mit einem Führungskanal. Präklinisch scheint es ähnlich zu sein wie  innerklinisch: Der Gesamtintubationserfolg ist mit um die 97% bei machintosh-ähnlichen bzw. hyperangulierten sehr hoch, wohingegen VL mit einem Führungskanal nur um die 60% erfolgreich waren. Intubationsprobleme waren erwartungsgemäß Sekretionen, technische Störungen und Schwierigkeiten in der Tubusplatzierung (bei HAL Spateln). Erwähnt wurde, dass HAL Spateln nur selten gebraucht wurden und bei normaler Anatomie auch nicht notwendig sind und es natürlich Übung braucht bis man die Technik gut beherrscht. Dem kann ich nur zustimmen. Ein Aspekt, den man sich auch in der Präklinik überlegen kann ist, dass man, wie auf manchen neurochirurgischen Abteilungen, aufgrund der geringeren Reklination den HAL Spatel bei HWS Traumata verwendet.

Fazit

Innerklinisch und nun auch präklinisch sind VL ja bereits in diversen Algorithmen und Leitlinien integriert. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit bis Videolaryngoskope flächendeckend auch außerklinisch vorhanden sind. Dies wurde u.a. schon von der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte  gefordert und auch in der Steiermark gibt es VL bereits auf jedem NEF. Natürlich muss man den speziellen Umständen der präklinischen Umgebung Rechnung tragen (Kälte, Hitze, direkte Sonneneinstrahlung etc.) aber man sieht ja, dass diese Devices auch dort funktionieren.  

Die Frage lautet generell, ob man in 5-10 Jahren überhaupt noch mit einem herkömmlichen Laryngoskop intubiert-also warum sich nicht gleich auf ein Tool „einschießen“ und dieses so gut wie möglich beherrschen und den Wandel schon jetzt vollziehen?

Ziemlich passend finde ich hierzu auch diesen Vergleich, den ich vor ein paar Wochen einmal gelesen habe: Warum ein Analoghandy verwenden wenn es auch ein Smartphone gibt? 

 

Interessante Links: 

EMcrit

ACEP

News Papers

Literatur:

  1. S1 Leitlinie:Atemwegsmanagement 2015 der DGAI
  2. S. R. Lewis, A. R. Butler, J. Parker, T. M. Cook, O. J. Schofield-Robinson, A. F. Smith, Videolaryngoscopy versus direct laryngoscopy for adult patients requiring tracheal intubation: a Cochrane Systematic Review, BJA: British Journal of Anaesthesia, Volume 119, Issue 3, September 2017, Pages 369–383)
  3. S1 Leitlinie prähospitales Atemwegsmanagement 2019 der DGAI

  4. Xue FS, Li HX, Liu YY, Yang GZ. Current evidence for the use of C-MAC videolaryngoscope in adult airway management: a review of the literature. Ther Clin Risk Manag. 2017;13:831–41
  5. Cavus, E et al. Videolaryngoscopy for Physician-Based, Prehospital Emergency Intubation: A Prospective, Randomized, Multicenter Comparison of Different Blade Types Using A.P. Advance, C-MAC System, and KingVision. Anesthesia & Analgesia: May 2018 – Volume 126 – Issue 5 – p 1565-1574

 

Titelbild:

www.jacobwhittaker.co.uk

 

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