Letztes Monat wurde ich aus meinem gewohnten anästhesiologischen Umfeld gerissen und durfte im Rahmen der Basisausbildung ein Monat auf der allgemeinchirurgischen Notfallambulanz lernen und mithelfen.
Eine ziemlich ungewohnte Umgebung für jemanden, der die meiste Zeit seiner Ausbildung einen großen Bogen um die Chirurgie gemacht hat. Abgesehen von der erneut gewonnenen Erkenntnis, dass ein viel zu großer Anteil der PatientInnen dringend einmal googeln sollten wofür Hausärzte so alles gut sind, konnte ich doch einiges mitnehmen.
Immer wieder in der Ambulanz auftauchende Krankheitsbilder, sind alle möglichen Formen von Koprostase, Subileus und Ileus. Da gerade der akute Ileus auch eine hohe notfallmedizinische und anästhesiologische Relevanz hat, habe ich versucht das Ganze für mich ein bisschen zusammen zu fassen.
Definition:
Darmverschluss oder Darmlähmung, die zu einer Unterbrechung der Nahrungspassage mit einem Aufstau von Speisebrei führt. Man unterscheidet zwischen mechanischem und funktionellem (paralytischem) Ileus, wobei beide zu einer intraluminalen Druckerhöhung führen. Konsekutiv kommt es zu einer Mikrozirkulationsstörung der Wand mit darauf folgender Erhöhung der Permeabilität der Mukosabarriere.
Dies kann zu Flüssigkeitsverschiebungen, einer Durchwanderungsperitonitis und Hypovolämie führen.
Mechanischer Ileus:
Beim mechanischen Ileus kommt es, meist durch Voroperationen, zu einer Einengung des Darmlumens. Häufig betrifft diese Einengung den Dünndarm (80%), hier ist die Ursache meist eine durch Voroperation bedingte Bride (65%) oder eine Hernie (15%).
Im Kolon- oder Rektumbereich handelt es sich meist um ein Malignom (70%).
Die Diagnostik stützt sich auf die klinische Untersuchung (geblähtes Abdomen, Darmgeräusche, etc), Anamnese (Obstipation, Übelkeit, Erbrechen, etc) und als Goldstandard das CT (Spiegelbildung, Kalibersprung).

Mechaninscher Ileus (1)
Die Basismaßnahmen in der Therapie bestehen aus:
- Ausgleich des Volumen- und Elektrolythaushaltes (oft Hypokaliämien)
- Analgesie (früher geäußerte Befürchtungen über eine Verschleierung der Symptomatik bei akutem Abdomen sind obsolet)
- Magensonde bei PatientInnen mit Erbrechen (gastrointestinale Dekompression)
Absolute Indikationen für eine chirurgische Intervention sind Strangulation, Ischämie und ein vollständiger Passagestopp.
Funktioneller Ileus:
Verminderte Kontraktion der glatten Muskulatur der Darmwand.
Ursachen sind unter anderem:
- Reflektorisch (nach abdominellen Eingriffen)
- Medikamentös (Opioide, Neuroleptika, ect)
- Metabolisch (Hypokaliämie, DM)
- Vaskulär (bei Minderperfusion)
Die Therapie erfolgt großteils konservativ. Die Basismaßnahmen wie Analgesie, Flüssigkeits- und Elektrolytmanagement und in schweren Fällen eine Magensonde sind gleich wie beim mechanischen Ileus.
Beim postoperativen Ileus konnten drei prophylaktische Maßnahmen mit signifikanter zeitlicher Verringerung nachgewiesen werden:
- Minimalinvasive Chirurgie
- Postoperative Analgesie mittels Periduralkatheter (Sympathikolyse und Einsparung von Opioiden)
- Postoperatives Kauen von Kaugummi (Peristaltik fördernd)
Ansonsten besteht, nach Ausschluss einer mechanischen Obstruktion, die Therapie aus einer Gabe von Prokinetika (Neostigmin, Metoclopramid, etc) und Laxantien (Macrogol, Lactulose, etc). (1)
Narkoseeinleitung:
Als Standard gilt hier natürlich die RSI (rapide sequence induction), im Deutschen auch Ileuseinleitung genannt.
Klassischerweise bestand die „Ileuseinleitung“ aus einer Präoxygenierungsphase, der raschen Gabe eines Hypnotikums unmittelbar gefolgt von der Injektion von Succinylcholin, die Ausübung von Krikoiddruck unmittelbar nach Injektion des Hypnotikums oder unmittelbar nach Verlust des Bewusstseins und der Vermeidung einer positiven Druckbeatmung bis zur Sicherung des Atemwegs durch einen geblockten Endotrachealtubus. Zu einigen dieser Vorgänge habe sich allerdings in den letzten Jahren die Ansichten geändert.
Magensonde:
Eine Studie von Driver BE et al. konnte zeigen, dass 8 % (n=823) der in der Notaufnahme intubierten PatientInnen innerhalb von 48h unabhängig vom Einleitverfahren eine Aspirationspneumonie entwickelten. Gerade bei PatientInnen mit Ileus liegt diese Zahl wohl noch höher. (2)
Auch wenn diese Studie nur bedingt aussagekräftig ist, zeigt sie doch gut wie wichtig der Versuch ist, eben diese Aspirationen zu verhindern.
Das Legen einer Magensonde vor Einleitung der Narkose zur Verminderung des gastralen Drucks und Entleerung des Magens gilt in der Literatur als Standard. Uneinigkeit herrscht hingegen darüber, ob die Magensonde während der Intubation belassen werden soll oder nicht.
Argumente für das Entfernen sind unter anderem die mögliche Störung des Ösophagussphinkters, die Erschwerung der Beutel-Maskenbeatmung und die Behinderung des (fragwürdigen) Krikoiddrucks.
Die Tendenz geht jedoch eher in die Richtung die Magensonde zu belassen und kontinuierlich abzusaugen, da auch mit liegender Magensonde nie eine komplette Entleerung des Magens gewährleistet werden kann. So empfehlen zum Beispiel die Skandinavischen Guidelines des SSAI das Belassen der Magensonde. (3)
Hier noch ein kleiner Denkanstoß zur Absaugung:
Medikamente:
Nach ausreichender Präoxygenierung (dieser Punkt kann gar nicht oft genug erwähnt werden, hier gibt es mehr dazu), und initialem Management des kritischen Patienten dürfen wir endlich mit dem spannenden Teil anfangen. Aber welche Medikamente eignen sich am ehesten für eine Ileuseinleitung und gibt es das perfekte Kochrezept?
Gleich vorweg, das perfekte Kochrezept gibt es wohl nicht und die Wahl des Medikaments muss immer an den/die PatientIn angepasst werden.
Jedoch gab es in den letzten Jahren einige interessante Entwicklungen, welche die klassischen Konzepte etwas hinterfragen.
So konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass auch eine einmalige Bolusgabe von Etomidaten zu einer Nebennierendysfuktion von 12-48 h führte.(4) Auf die Letalität scheint das jedoch wenig bis keine Auswirkungen zu haben.(5)
Dagegen hat Ketamin seinen schlechten Ruf in den letzten Jahren etwas verloren und gilt immer mehr als kreislaufstabile Alternative, gerade im Notfallsetting.
Auch bei den Muskelrelaxantien scheint Rocuronium in hoher Dosierung (0,9-1.2 mg/kgKG) dem altbewährten Succinylcholin (1-1,5 mg/kgKG) zumindest ebenbürtig zu sein, bei deutlich geringerem Risikoprofil. (6)
Nach einer Minute sind die Intubationsbedingungen vergleichbar gut. Davor scheint Succinylcholin immer noch besser zu sein, wobei die Muskelfaszikulationen zu einer kürzeren Zeitspanne bis zur Desaturierung führen. Außerdem erhöhen sie den intragastralen Druck und führen so womöglich zu einer höheren Regurgitationsrate.
Häufig wird auch mit der kurzen Halbwertszeit von Succinylcholin und der Möglichkeit den/die PatientInn aufwachen zu lassen argumentiert. Gerade bei PatientInnen mit Ileus und erhöhtem Aspirationsrisiko stellt das jedoch wohl keine Option dar.
The best of the rest:
First pass success (FPS)
Ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Atemwegssicherung bei schwierigen PatientInnen wie z.B. jenen mit Ileus ist zweifelsfrei der first pass success.
Eine groß angelegte Studie von Park L., et al. konnte zeigen, dass dieser in der Notaufnahme bei durchschnittlich 84,1% (n=42 081) liegt. (7)
Dieser eher niedrige Wert zeigt, dass noch viel Luft nach oben ist und wird noch wichtiger wenn man sich die Komplikationsraten anschaut.
Mehrere Intubationsversuche (>3) steigerten die Wahrscheinlichkeit einer Komplikation (Aspiration, Hypoxie, Fehlintubation, HKL Stillstand) um das 10-fache, weshalb alles unternommen werden sollte um die Rate des FPS zu steigern.
Hilfsmittel dafür sind z.B. die routinemäßige Anwendung eines Führungsstabes oder die primäre Anwendung eines Videolaryngoskopes.
Krikoiddruck
Der Krikoiddruck war lange Zeit ein Standardmanöver bei der Narkoseeinleitung von PatientInnen mit hohem Aspirationsrisiko.
Inzwischen empfehlen diesen auch die S1 Guidelines zum Atemwegsmanagement nicht mehr routinemäßig, da es zu einer Behinderung der Sicht bzw Beatmung kommen kann. Hier noch ein Artikel zum nachlesen. (8)
Lagerung
Bei der Lagerung gibt es immer noch Diskussionen. Die Verfechter der Oberkörpertieflagerung argumentieren damit, dass Erbrochenes beim aktiven Erbrechen abrinnen kann und die Gefahr einer Aspiration vermindert wird.
Auf der anderen Seite bietet die Oberkörperhochlagerung verbesserte Intubations- bzw Präoxygenierungsbedingungen und erschweren die passive Regurgitation.
Flo hat hierzu vor einiger Zeit schon einen schönen Artikel verfasst, den es hier zum Nachlesen gibt.
Take-home-message
- Der Ileus betrifft gerade uns Anästhesisten nicht nur bei der Narkoseeinleitung (Bsp. postoperativer Ileus)
- Magensonde bei der Narkoseinleitung unter Sog belassen
- Es gibt kein universelles Kochrezept zur Narkoseinleitung aber Ketamin und Rocuronium scheinen 2 gute Alternativen gerade im Notfallsetting zu sein
- Es sollte alles getan werden um den first pass success zu erhöhen (Führungsstab, Videolaryngoskop, Lagerung, usw)
- Die routinemäßige Durchführung eines Krikoiddruckes während der RSI wird nicht mehr empfohlen
Literatur:
- Vilz TO, Stoffels B, Straflburg C, Schild HH, Kalff JC. Ileus beim Erwachsenen. Dtsch Arztebl International. 2017;114(29-30):508-18.
- Driver BE, Klein LR, Schick AL, Prekker ME, Reardon RF, Miner JR. The occurrence of aspiration pneumonia after emergency endotracheal intubation. The American Journal of Emergency Medicine.36(2):193-6.
- Jensen AG, Callesen T, Hagemo JS, Hreinsson K, Lund V, Nordmark J, et al. Scandinavian clinical practice guidelines on general anaesthesia for emergency situations. Acta Anaesthesiol Scand. 2010;54(8):922-50.
- Albert SG, Ariyan S, Rather A. The effect of etomidate on adrenal function in critical illness: a systematic review. Intensive Care Med. 2011;37(6):901-10.
- Bruder EA, Ball IM, Ridi S, Pickett W, Hohl C. Single induction dose of etomidate versus other induction agents for endotracheal intubation in critically ill patients. Cochrane Database Syst Rev. 2015;1:CD010225.
- Sorensen MK, Bretlau C, Gatke MR, Sorensen AM, Rasmussen LS. Rapid sequence induction and intubation with rocuronium-sugammadex compared with succinylcholine: a randomized trial. Br J Anaesth. 2012;108(4):682-9.
- Park L, Zeng I, Brainard A. Systematic review and meta-analysis of first-pass success rates in emergency department intubation: Creating a benchmark for emergency airway care. Emerg Med Australas. 2017;29(1):40-7.
- S1Guidelines prähospitale Notfallnarkose Erwachsene 2015
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