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Der diastolische Blutdruck in der CPR

Eine erneute Diskussion zum Thema Reanimation ist spätestens mit der PARAMEDIC2-Studie (1)wieder entflammt. Doch während diese Frage wohl eher philosophisch zu beantworten ist, wollen wir mit diesem Artikel einen näheren Blick auf ein bestimmtes Detail der Reanimation werfen.

 

“Performing CPR without measuring the effects is like flying an airplane without an altimeter” – Dr. Max Harry Weil at the Fourth Wolf Creek Conference, April 1996

 

Sowohl die ERC Guidelines 2015 (2)als auch ein Statement der AHA (3)empfehlen, dass der diastolischen Blutdruckwert während der CPR über 25 mmHg zu halten ist.

Zunächst muss man dabei erwähnen, dass dieses Ziel natürlich nur überwacht werden kann, wenn man unter Reanimation einen arteriellen Zugang legt, was grundsätzlich empfohlen wird (2,3).

Doch warum genau der diastolische Blutdruck?

Schauen wir uns diesen Blutdruckwert noch einmal richtig an: Also die Diastole an sich entspricht der Füllungs- und Entspannungsphase des Herzens. Im rechten und linken Herzen herrschen jedoch unterschiedliche Druckverhältnisse, das Myokard ist ja auch unterschiedlich dick. Während das rechtsventrikuläre Myokard nun kontinuierlich mit Blut versorgt wird und am ehesten noch dem Verlauf des Aortendrucks folgt, wird das linksventrikuläre nur in der Ventrikeldiastole richtig durchblutet. Während der Systole kommt es sogar zu einem kleinen Blutrückfluss in die Aorta. Somit ist die Diastole also besonders für die Versorgung dieses Areals essentiell. (4)

Sutton et al. hat aufgrund der Empfehlung der AHA einen Tierversuch mit Schweinen gemacht, welche einerseits sowohl einen hypoxischen als auch andererseits einen normoxämischen Herzkreislaufstillstand erlebten und bei den überlebenden Tieren nachgeschaut, ob das endtidale CO2oder der diastolische Blutdruckwert (DBP; diastolic blood pressure) eine bessere Aussage zum Überleben machen konnten. Und tatsächlich war der durchschnittliche diastolische Blutdruckwert besser als das ETCO2um die überlebenden Tiere vorherzusagen. Optimale ROSC (return of spontaneous circulation) Werte waren diesbezüglich DPB≧26 mmHg.(5)

Diese Studie wurde 2016 quasi wiederholt und zeigte dasselbe Ergebnis, nämlich, dass die diastolischen Blutdruckwerte im Vergleich zum EtCO2eine bessere Vorhersage zum ROSC geben konnten (siehe Abbildung 1)(6).

 

Abbildung 1: Morgan et al. (6)

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Leider gibt es noch keine prospektiven Studien dazu bei Erwachsenen oder alten Menschen. Kinder hingegen wurden untersucht und in einer Studie von Berg et al. zeigte ein DPB von über 25 mmHg – wie in den Guidelines empfohlen – tatsächlich bei diesem Patientengut ein verbessertes Überleben und ein besseres neurologisches Outcome. (7)

Dass das linksventrikuläre Herz im speziellen während der Diastole besser versorgt wird ist nun klar. Das könnte die höheren ROSC-Zahlen erklären, da der koronare Perfusionsdruck (coronary perfusion pressure(CPP)) damit ansteigt. Dieser wiederum ist mit einem Cutoff von 15 mmHg überhaupt die Voraussetzung für einen ROSC, wie einige Studien zeigen (8–11).

Koronarer Perfusionsdruck = arterieller diastolischer Druck – rechtsatrialer diastolischer Druck

Ohne einen zentralvenösen Katheter, womit man den CPP in Kombination mit einem arteriellen Zugang messen könnte, wird daher ein arterieller diastolischer Blutdruck von mindestens 25 mmHg empfohlen, damit das gewährleistet werden kann.

Die Empfehlung die Kapnographie als Parameter dafür zu verwenden fußt also nicht auf ihrer Überlegenheit – wie wir bereits gesehen haben – sondern darauf, dass sie besser als kein Monitoring ist und die Kapnographie beim Advanced Life Support (ALS) immer verwendet wird. (8)

Warum nun das bessere neurologische Outcome? Dazu müssen wir uns kurz noch einmal den zerebralen Perfusionsdruck (CPP; cerebral perfusion pressure) durchdenken – wieder einmal ein CPP – einerseits zum Verwirren, andererseits um sich besser zu merken, dass das wichtig ist ;).

 

CPP=MAP-ICP

MAP… mean arterial pressure (Mittlerer arterieller Druck)
ICP… intracranial pressure (intrakranieller Druck)

Der MAP wiederum setzt sich ja aus dem systolischen und dem diastolischen Blutdruck zusammen, was bedeutet, dass beide Blutdruckwerte den CPP mitbestimmen. Grob gesagt sollte der CPP nicht unter 50 abfallen um Ischämie zu vermeiden, was bei Patienten, bei denen der ICP normal hoch (0-10 mmHg) ist, auf einen MAP von mindestens 50-60 mmHg rückschließen lässt. (12)Dies wiederum wäre zum Beispiel bei einem Blutdruck von 90/50 mmHg der Fall. Der diastolische Blutdruck spielt dabei insofern eine wichtige Rolle, weil er quasi der Druck ist, der immer da ist, während die Systolen ja nur kurze Peaks darstellen. Wenn der koronare Perfusionsdruck über 20 mmHg gehalten wird, dann steigt auch der zerebrale Perfusionsdruck an und es wird dadurch ein besseres neurologisches Outcome erreicht (siehe Abbildung 2). Am besten wird das durch hämodynamisch-gezielte Reanimation erzielt. (13)

 

Abbildung 2: Friess et al. (13)

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Damit die prognostische und therapeutische Wichtigkeit des Erreichens eines bestimmten diastolischen Wertes während der Reanimation dargestellt wird, hat Sanders et al. bei Hunden experimentell einen DBP von über 30 mmHg mittels Adrenalin und Flüssigkeit aufzubauen versucht. Bei den überlebenden Hunden wurde einerseits weniger Adrenalin titriert und andererseits leicht das DBP-Ziel erreicht und gehalten, was bei den nicht-überlebenden Hunden nicht der Fall war. (14)

Wie können wir den diastolischen Blutdruck während der CPR anheben?

Einerseits steigt er durch die Katecholamine an, so wurde es auch in vielen Studien gemacht. Ein weiterer Punkt ist Volumen – mehr zentralvenöser Druck durch erhöhtes Volumen erhöht auch den DBP. (15)
Je nach Volumenstatus des Patienten kann mit diesen zwei Stellschrauben also der DBP während der CPR angehoben werden.
Wichtig ist es auch darauf zu achten, dass hochqualitative Thoraxkompressionen durchgeführt werden und besonders auch Entlastung stattfindet, da sich das Herz sonst potentiell schlechter füllen kann.

 

Also zusammenfassend können folgende Take-home points genannt werden:

  • Laut ERC und AHA soll bei der Reanimation ein diastolischer Blutdruck über 25 mmHg angestrebt werden.
  • Während der CPR eine arterielle Leitung legen versuchen!
  • Mehrere Studien bestätigen, dass die Vorhersagekraft für einen ROSC mit dem DBP besser ist als mit dem ETCO2.
  • Sowohl die ROSC-Zahlen, als auch das neurologische Outcome verbessern sich, wenn der DBP über 25 mmHg ist, da der koronare und der zerebrale Perfusionsdruck angehoben werden.
  • Mittels Katecholaminen und Volumen kann der DBP angehoben werden.

 

Wie wir sehen steckt in dem kleinen Detail des diastolischen Blutdrucks während der Reanimation mehr als erwartet. Es ist ein weiteres Puzzleteil eines großen Bildes und kann zusammen mit anderen Maßnahmen die Reanimationsqualität offensichtlich verbessern. Also vielleicht ist PARAMEDIC2 „gefloppt“, weil nur ein Detail des großen Ganzen betrachtet wurde, was offensichtlich mit dem DBP eher erreicht werden kann. Bedenkt das also bei der nächsten Reanimation und stellt sicher, dass hochqualitative Kompressionen gewährleistet werden um einen gewissen Blutdruck aufzubauen, da das auch wirklich was bringt!

 

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FOAM-Link zu diesem Thema:
EMcrit Podcast (physiology guided cardiac arrest management)

 

  1. Perkins G, Ji C, Deakin C, Quinn T, et al. A Randomized Trial of Epinephrine in Out-of-Hospital Cardiac Arrest. N Engl J Med. 2018;1–11.
  2. Soar J, Nolan JP, Böttiger BW, Perkins GD, Lott C, Carli P, et al. European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2015. Section 3. Adult advanced life support. Resuscitation. 2015;95:100–47.
  3. Meaney PA, Bobrow BJ, Mancini ME, Christenson J, De Caen AR, Bhanji F, et al. Cardiopulmonary resuscitation quality: Improving cardiac resuscitation outcomes both inside and outside the hospital: A consensus statement from the American heart association. Circulation. 2013;128(4):417–35.
  4. Schmidt RF, Lang F, Heckmann M. Physiologie des Menschen. Schmidt RF, Lang F, Heckmann M, editors. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg; 2007.
  5. Sutton R, Bratinov G, Maltese M, Naim M, Weiland T, Friess S, et al. Diastolic blood pressure predicts survival better than endtidal carbon dioxide during CPR. Crit Care Med. 2013 Dec;41(12):A5–6.
  6. Morgan RW, French B, Kilbaugh TJ, Naim MY, Wolfe H, Bratinov G, et al. A quantitative comparison of physiologic indicators of cardiopulmonary resuscitation quality: Diastolic blood pressure versus end-tidal carbon dioxide. Resuscitation. 2016 Jul;104(2):6–11.
  7. Berg RA, Sutton RM, Reeder RW, Berger JT, Newth CJ, Carcillo JA, et al. Association Between Diastolic Blood Pressure During Pediatric In-Hospital Cardiopulmonary Resuscitation and Survival. Circulation. 2017;CIRCULATIONAHA.117.032270.
  8. Sutton RM, Friess SH, Maltese MR, Naim MY, Bratinov G, Weiland TR, et al. Hemodynamic-directed cardiopulmonary resuscitation during in-hospital cardiac arrest. Resuscitation. European Resuscitation Council, American Heart Association, Inc., and International Liaison Committee on Resuscitation.~Published by Elsevier Ireland Ltd; 2014;85(8):983–6.
  9. Paradis NA. Coronary Perfusion Pressure and the Return of Spontaneous Circulation in Human Cardiopulmonary Resuscitation. Jama. 1990;263(8):1106.
  10. Reynolds JC. Circulation after Prolonged Cardiac Arrest. 2011;14(November 2008):78–84.
  11. Friess SH, Sutton RM, Bhalala U, Maltese MR, Naim MY, Bratinov G, et al. Hemodynamic Directed Cardiopulmonary Resuscitation Improves Short-Term Survival From Ventricular Fibrillation Cardiac Arrest*. Crit Care Med. 2013 Dec;41(12):2698–704.
  12. National Association of Emergency Medical Technicians (U.S.). Pre-Hospital Trauma Life Support Committee., American College of Surgeons. Committee on Trauma. PHTLS : prehospital trauma life support. Elsevier Mosby; 2007. 594 p.
  13. Friess SH, Sutton RM, French B, Bhalala U, Maltese MR, Naim MY, et al. Hemodynamic directed CPR improves cerebral perfusion pressure and brain tissue oxygenation. Resuscitation. 2014 Sep;85(9):1298–303.
  14. Sanders AB, Ewy GA, Taft T V. Prognostic and therapeutic importance of the aortic diastolic pressure in resuscitation from cardiac arrest. Crit Care Med. 1984 Oct;12(10):871–3.
  15. Behrends JC, Bischofberger J, Deutzmann R, Ehmke H, Frings S, Grissmer S, et al. Duale Reihe Physiologie. Thieme. 2010.

3 Kommentare

  1. Auf Facebook hat es zwei Anmerkungen zu diesem Thema gegeben und ich habe unseren Autor Michi Eichinger (der nicht auf FB vertreten ist) gebeten dazu Stellung zu nehmen. Ich wollte es ursprünglich auf FB posten, aber ich denke es ist einfacher für etwaige weitere Kommentare es hier zu posten und Michi hat die Möglichkeit direkt zu antworten.

    Anmerkung 1: Nicht gerade sonderlich viele NEFs führen Ausrüstung zur invasiven Blutdruck-Messung mit.
    Anmerkung 2: Um wie viel Prozent erhöht die Messung des DBDs die Überlebenschance eines Pat., der gerade 5 bis 10 Minuten „downtime“ hinter sich hatte..?

    Seine Antwort:

    Hallo Michael,
    Danke für deine Fragen!
    1. Das stimmt leider, nicht überall hat man bisher diese Möglichkeit. Jedoch sollte das
    nicht wirklich ein Grund sein, denn es gibt ja auch sehr viele andere Notfälle, bei
    denen der/die Patient/-in von einer invasiven Blutdruckmessung profitiert.
    Außerdem wäre das nach diesem Literaturstand etwas, das das gute Überleben
    wahrscheinlicher macht und damit sollte es für alle erstrebenswert sein diesen
    Standard zu erreichen.
    2. Nicht die Messung des DBP ist wichtig um diese Frage zu beantworten, da im Falle
    des „Nichts-Tuns“ das gar nicht relevant ist. Hier ein Auszug aus den ERC2015 BLS
    Guidelines: „Each minute of delay to defibrillation reduces
    the probability of survival to discharge by 10–12%. The links in the
    chain work better together: when bystander CPR is provided, the
    decline in survival is more gradual and averages 3–4% per minute
    delay to defibrillation“

    LG

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