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Calciumkanalblocker-Intoxikation: was sagen die Experten? – Eine Konsensusempfehlung.

Was hat es mit Insulin auf sich? Und wie sieht es aus mit Kalzium? Angesichts der sehr geringen Evidenz in der Literatur war es das Ziel der Arbeitsgruppe Expertenkonsens-Empfehlungen (1) zu entwickeln, diese in Therapieansätze zu verpacken und somit Behandlung dieser Patientengruppe auf einen Nenner zu bringen und zu verbessern.

Obwohl es verschiedene Arten von Kalziumkanalblocker (KKB) und somit auch unterschiedliche Auswirkungen bei Intoxikationen (siehe Abbildung) gibt, wurde versucht einen möglichst pragmatischen Therapieansatz zu finden.

 

Nun zu den Empfehlungen:

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Der asymptomatische Patient:

Falls eine potentiell toxische Menge (definiert als mehr als eine einzige therapeutische Dosis) an KKB eingenommen wurde, sollte der Patient überwacht und eine Dekontamination mit Aktivkohle (falls innerhalb einer Stunde eingenommen bzw. falls es länger her ist, kann ein potentieller Nutzen nicht ausgeschlossen werden) angedacht werden.

Die Arbeitsgruppe hielt sich bei der Indikation und Art der Dekontamination an die AACT– und die EAPCCT-Statements.

Evidenzlevel: 1D

First-Line Therapie für symptomatische Patienten:

1D Empfehlungen:

  • Kalzium i.v.

    verbessert Kontraktilität und Blutdruck, ist schnell verfügbar und ist bei vorhandenem ZVK bzw. gutem peripheren Zugang, sicher in der Anwendung.
    Gebräuchliche Dosierungsregime (siehe Abbildung):

    10% Kalzium Chlorid: 10–20ml (1–2g) alle 10–20 Minuten oder via Motorspritzenpumpe mit 0.2–0.4ml/kg/h (0.02–0.04 g/kg/h)

    10% Kalzium Gluconat:30–60 ml (3–6 g) alle 10–20 Minuten oder via Motorspritzenpumpe mit 0.6–1.2 ml/kg/h (0.06–0.12 g/kg/h)

  • Bei myokardialer Dysfunktion: Hochdosiertes Insulin (HDI) zusammen mit anderen First-Line Behandlungen.

Insulin verbessert Kontraktilität, Blutdruck und potentiell das Überleben. HDI scheint einen direkt positiv inotropen Effekt zu haben.

Erwähnte Dosierungsregime: 1 U/kg gefolgt von einer Infusion mit 1 U/kg/h.

Normoglykämie soll mit Glukose aufrechterhalten und Kaliumspiegel eng kontrolliert werden. In Fallberichten wurde Insulin bis zu einer Dosis von 10 U/kg/h hochtitriert. Die Arbeitsgruppe empfiehlt dies aber nur dann, wenn auf First-Line Therapie nicht angesprochen wird.

  • Bei Schock: Noradrenalin oder Adrenalin. Noradrenalin bevorzugt bei ausgeprägter Vasodilatation

Die Auswahl der Vasopressoren sollte anhand der Art des Schocks getroffen werden.

2D – Empfehlungen:

  • Hochdosiertes Insulin als Monotherapie bei myokardialer Dysfunktion
  • Hochdosiertes Insulin in Abwesenheit von myokardialer Dysfunktion wenn es zusammen mit i.v. Flüssigkeit, Kalzium und Vasopressoren verwendet wird.
  • Dobutamin oder Adrenalin bei kardiogenem Schock
  • Atropin bei symptomatischen Bradykardien oder Überleitungsstörungen
    0,5 mg alle 3-5 Minuten. Es ist leicht zugänglich, billig und nebenwirkungsarm.

2D – Empfehlungen nicht zu verwenden:

  • Dopamin im Schock
  • Vasopressin als einziges vasoaktives Medikament bei dokumentiertem kardiogenen Schock.
    In Tiermodellen verschlechterte sich dadurch das Überleben.

Empfehlungen für therapierefräktere Patienten  (2D):

 Hier wurden Therapien erwogen, die nur durch ein geringe Anzahl an Fallserien unterstützt werden und ein moderates Risiko in sich tragen.  

  • Stufenweise Steigerung von HDI (bis zu 10 U/kg/h) falls myokardiale Dysfunktion vorhanden ist.
  • Schrittmacher bei instabiler Bradykardie, hochgradigem AV-Block ohne sginifikanter Änderung der Inotropie.

    Da das Schrittmachern in solchen Fällen nicht immer funktioniert, sollte man zuerst transkutan und wenn erfolgreich, transvenös pacen. (Um eine evtl. nutzlose,risikobehaftete zeitaufwendige Maßnahme zu vermeiden).

  • Fettemulsion i.v.

    1.5mL/kg von 20%er Fettemulsion als Bolus (evtl. ein zweites Mal wiederholt, je nach Klinik) gefolgt von einer Infusion mit 0.25 ml/kg/min über 30–60 Minuten.


Empfehlungen für Periarrestsituationen (2D):

  • HDI (auch wenn keine myokardiale Dysfunktion vorhanden ist), Schrittmacher und Fettemulsion falls noch nicht verabreicht.
  • VA-ECMO in kardiogenem Schock

Der Einsatz eines extrakorporalen Unterstützungssystems (ECLS) war verbunden mit einer gesteigerten Überlebensquote bei Patienten im schweren Schock oder mit Kreislaufstillstand, wobei Extremitätenischämien, Thrombosen und Blutungen in Kauf genommen wurden. (ERC Leitlinien 2015)

Empfehlungen für Therapie bei Herzkreislaufstillstand

  • Zusätzlich zu den Standard ACLS Maßnahmen, iv. Kalzium, Fettemulsion (auch wenn schon bereits gegeben) verabreichen und ECMO (falls Möglichkeit vorhanden) andenken.

 

Experts Consensus Recommendations for the Management of Calcium Channel Blocker Poisoning in Adults, www.ccmjournal.org

Experts Consensus Recommendations for the Management of Calcium Channel Blocker Poisoning in Adults, http://www.ccmjournal.org

 

Chris Nickson von LITFL hat zu diesem Thema einen Fallbericht samt Protokoll zur HIET veröffentlicht (2):

 

Nickson CP, Little M. Early use of high-dose insulin euglycaemic therapy for verapamil toxicity.

Nickson CP, Little M. Early use of high-dose insulin euglycaemic therapy for verapamil toxicity.

 

Die Überdosierungen von KKB als Ursache für einen Tod durch verschreibungspflichtige Medikamente nehmen immer weiter zu – ein Grund mehr sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Auch die Insulindosen sind erschreckend hoch, dennoch scheint es eine Therapieoption zu sein die immer mehr Anwendung findet und ebenso in den ERC Leitlinien erwähnt werden. (3)
Ingesamt zwar nur schwach in der Evidenz, aber diese Statements geben durchaus einen guten roten Faden für diese Patientengruppe!

Literatur:

  1. Experts Consensus Recommendations for the Management of Calcium Channel Blocker Poisoning in Adults. Crit Care Med. 2016 Oct 3.
    Link
  2. Nickson CP, Little M. Early use of high-dose insulin euglycaemic therapy for verapamil toxicity. MJA 2009; 191 (6): 350-352
    Link
  3. Kreislaufstillstand in besonderen Situationen.
    Kapitel 4 der Leitlinien zur Reanimation 2015 des European Resuscitation Council
    Link

Ebenso lesens/hörenswertes zu diesem Thema:

 

P.S.: Die Empfehlungen und v.a. Dosierungen wurden natürlich mit bestem Wissen und Gewissen abgeschrieben. Dennoch ist irren menschlich und somit Fehler nicht zur Gänze ausschließbar.

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