Kürzlich erschien eine Neuauflage der S3-Leitlinie Polytrauma.
Die gesamte Leitlinie könnt ihr hier finden. Dieser Teil bezieht sich auf die präklinische Versorgungsphase. Die einzelnen Empfehlungen wurden abgebildet und teilweise noch durch interessante Informationen ergänzt.
Die endotracheale Intubation (ETI) stellt nach wie vor den Goldstandard der Atemwegssicherung dar. Ziel ist die bestmögliche Oxygenierung und Ventilation, entsprechend dem A und B der Traumaversorgung. Dies ist nur mit einem freien Atemweg möglich. Speziell beim Polytrauma mit SHT führt die Hypoxie zusammen mit der Hypotonie (=“lethal duo“) zu signifikanten Sekundärschäden.
Präoxygenierung: Soweit es die Notfallsitution zulässt, soll mit 100% Sauerstoff über eine dicht sitzende Maske mit Reservoir bis zu vier Minuten präoxygeniert werden. Eine längere Präoxygenierung führt zu keinem wesentlich besseren O2-Partialdruck. Als Alternative kann eine dicht sitzende Maske des Beatmungsbeutels (mit Reservoir) mit jeweils 12-15L/min verwendet werden. Effektiver wäre die Verwendung eines Demandventils oder, falls keine Kontraindikationen bestehen, eine nicht invasive Beatmung. Eine Maske ohne Reservoir ist definitiv nicht ausreichend.
Bei unkooperativen Patienten kann eine delayed sequence intubation durchgeführt werden.
Studien zu Lernkurven zeigen, dass unter optimalen Bedingungen im OP mehr als 60 endotracheale Intubationen (ETI) notwendig sind, um eine Erfolgsrate von 90% innerhalb der ersten zwei Intubationsversuche zu erzielen. Danach flacht diese Kurve ab und bei 100-150 ETI wird eine Gesamterfolgsrate von 95% beschrieben.
In einer Handlungsempfehlung für das präklinische Atemwegsmanagement der deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin sollten Anwender mindestens 100 ETI zum Erlernen der Technik durchführen und nachfolgend 10 ETI/Jahr unter Aufsicht dokumentieren. Für supraglottische Devices reichen 10 Anwendungen zum Erlernen und danach 3/Jahr.
In deutschsprachigen Notarztsystemen können pädiatrische und erwachsene Notfallpatienten mit sehr hoher Erfolgsrate intubiert werden. Jedoch muss ein einzelner Notarzt durchschnittlich nur alle 3 Jahre ein Kind intubieren und alle 13 Jahre einen Säugling. Daher ist es notwendig diese Fachkenntnisse außerhalb des Notarztdienstes zu trainieren.
Ebenfalls beschrieben ist, dass bei geringer Erfahrung in der Atemwegssicherung, eine prähospitale ETI bei Patienten mit SHT mit einer erhöhten Mortalität assoziiert ist (im Gegensatz zu erfahrenen Anwendern).
Die ETI ist bekannterweise in der Präklinik schwieriger als innerklinisch. Generell sind diese Patienten als nicht nüchtern anzusehen und somit ist eine starke Absaugeinheit obligat. Ursachen für auftretende Schwierigkeiten sind Fremdkörper/Sekret in Pharynx oder Larnynx, direkte Verletzungen des Kopfes oder Nackens, Verlust der normalen Anatomie des oberen Atemweges, Atemwegsödeme, pharyngeale Tumore, Laryngospasmen und eine schwierig vorbestehende Anatomie. Hinzu kommt, dass das Atemwegsmanagement aufgrund der Positionierung des Patienten und technischer Probleme erschwert sein kann.
Dies führt dazu, dass Komplikationen bei traumatisierten Patienten häufiger vorkommen als bei nichttraumatisierten.
First Pass Success: Die Morbidität unserer Patienten steigt, je öfter ein Intubationsversuch erfolglos bleibt. Es kommt vermehrt zu Hypoxie, Regurgitation, Aspiration, Bradykardie und Herzkreislaufstillstand. Deswegen sollte auch nach 2 misslungenen Intubationsbedingunegn eine alternative Methode der Atemwegssicherung in Betracht gezogen werden. Die Notfallkoniotomie stellt die Ultima Ratio dar.
Deswegen ist die Bereitstellung folgender Geräte ein absolutes Muss:
- EKG
- nichtinvasive Blutdruckmessung
- Pulsoxymetrie
- Kapnografie/Kapnometrie
- Defibrillator
- Notfallrespirator
- Absaugeinheit
Die schwerwiegendste Komplikation im Rahmen einer ETI ist nicht die ösophageale Intubation, sondern die nicht erkannte osöphageale Intubation! Wurde der Patient intubiert, ist deswegen eine Kapnometrie/graphie essentiell. Diese wird zur Tubuslagekontrolle, Dislokationsreduktion und Beatmungskontrolle (Normoventilation bzw. nach BGA) verwendet. Sie weist noch dazu eine wesentlich höhere Spezifität und Sensitivität als die Auskultation auf. Dadurch kann neben einer adäquaten Oxygenierung auch eine adäquate Ventilation durchgeführt werden. Dies ist vor allem bei Patienten mit SHT von Relevanz. Ebenso stellt sie ein indirektes hämodynamisches Monitoring dar.
Mit einer lungenprotektive Beatmung (6ml/kg Körpergewicht Tidalvolumen, möglichst niedrige Spitzendrücke) sollte so früh wie möglich begonnen werden.
Die Rapid Sequence Induction (RSI) gilt in der präklinischen Notfallmedizin als Methode der Wahl zur Sicherung der Atemwege. Die Verwendung von Muskelrelaxanzien ist essentieller Bestandteil. Ohne deren Verwendung erhöht sich die Rate an Fehlintubationen, was wiederum eine erhöhte Morbidität bedingt (siehe First Pass Success).
Auf Etomidat kann verzichtet werden, da es Ketamin gibt. Etomidat erhöht – auch bei Einzeldosen – das Risiko für ARDS, Multiorganversagen und verlängert die Krankenhaus- bzw. Intensivaufenthaltsdauer.
Da eine HWS-Immobilisation die Mundöffnung einschränkt, sollte an Alternativen wie die Videolaryngoskopie oder die Fiberoptik gedacht werden.
Der First Pass Success wird durch die Videolaryngoskopie verbessert. Die Sicht auf die Stimmbandebene ist verbessert, die Häufigkeit der kurzfristigen ösophagealen Intubationen ist reduziert, die Gesamterfolgsrate ist höher (auch auf der Intensivstation) und die Anzahl der Intubationsversuche ist reduziert.
Als Limitation dieser Technik ist die Beeinträchtigung bei starkem Lichteinfall und Verschmutzung der Objektivlinse zu erwähnen. Deswegen: einen herkömmlich gekrümmten Macintosh-Spatel verwenden. Somit kann man Video- und direkte Larnygoskopie vereinen.
Literatur:
- S3 – Leitlinie Polytrauma / Schwerverletzten-Behandlung
Herausgeber:Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (federführend)
AWMF Register-Nr. 012/019
Abbildung zum First Pass Success:
- Sakles JC, Chiu S, Mosier J, Walker C, Stolz U. The Importance of First Pass Success When Performing Orotracheal Intubation in the Emergency Department. Academic emergency medicine : official journal of the Society for Academic Emergency Medicine. 2013;20(1):71-78. doi:10.1111/acem.12055.
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