Zu den häufigsten Komplikationen bei der (präklinischen) Narkoseeinleitung zählt eine Hypotension, sie tritt in 7-18% der Fälle auf. Dafür gibt es viele Gründe:
Einerseits sind die PatientInnen natürlich schwer krank (sonst würden sie ja keine präklinische Narkose mit all ihren Risiken bekommen), andererseits bringt jede Narkose gewisse Faktoren mit sich, die eine Hypotension begünstigen: Durch die Narkotika und Analgetika kommt es zu einer Sympathikolyse (wir nehmen den Leuten iatrogen ihren Stress, der das Herz gerade noch antreibt und die Gefäße eng stellt!), dadurch sinkt sowohl der periphere Widerstand als auch der Auswurf des Herzens. Zusätzlich sind unsere PatientInnen eventuell auch noch hypovoläm oder gar schockiert, zB durch einen Volumenverlust (Blutung, Exsikkose) oder durch eine ungünstige Verteilung des Volumens (wie zB in der Sepsis oder einem anaphylaktischen Schock). Diese Hypovolämie verstärkt das Risiko für eine Hypotension noch einmal. Einen sehr guten Überblick über mögliche Ursachen der Hypotension bietet auch REBEL EM hier (Englisch!).
Wie ist die Hypotension genau definiert? Und ab wann wird es schädlich für uns? Das ist gar nicht so genau zu beantworten: In Deutschland ist Hypotension als syst. Blutdruck unter 110 mmHg definiert, in den USA unter 90. Wichtiger für die Durchblutung ist allerdings der mittlere arterielle Druck – die Fläche unter der Durck-Zeit-Kurve (oder einfacher: Diastole + 1/3 der Differenz aus Systole und Diastole – gut zum groben „Überschlagen“). Dieser MAP sollte auf keinen Fall unter 60 mm Hg fallen. Beim SHT schaut das natürlich wieder ganz anders aus: Da sollte der RR über 90 mm Hg MAP (SHT) liegen. In einer Studie wurde ein MAP von unter 45 mm Hg als Grenzwert definiert, ab dem der Blutdruck als „critical low“ gilt und mit einem „hemodynamic collapse“ assoziiert ist.
Was können wir also im Notfall tun um den Blutdruck schnell und einfach wieder zu heben? Gleich einen Noradrenalin-Perfusor basteln und uns langsam zur richtigen Dosierung tasten? Ein viel einfacheres Konzept sind die sogenannten „Push Dose Pressors“: Die verfügbaren Katecholamine werden alle so aufgezogen und verdünnt, dass 1-2 ml „aus der Hand“ gespritzt ungefähr die selbe Wirkung haben und keinen Schaden anrichten können. Zur Verfügung stehen uns dabei:
Ephedrin: Wirkt an alpha1- sowie an beta1- und -2-Rezeptoren – also eigtl überall dort, wo wir es haben wollen: es kommt zu einer Vasokonstriktion, zu einer Erhöhung der Herzfrequenz und zu einem erhöhten Auswurf. Natürlich steigt dadurch der myokardiale Sauerstoffverbrauch – um nur eine Nebenwirkung zu nennen. An unserer Klinik ist Ephedrin (ist auch der Handelsname) als 5ml Ampulle mit 10mg/ ml erhältlich und wird mit 5ml NaCl aufgezogen – so erhalte ich 5mg/ ml Ephedrin. Ein Bolus kann aus 1-2ml bestehen, alle 3-5 Minuten bzw. je nach Wirkung repetiert werden. Im Normalfall erhöht ein Bolus den Blutdruck um ca 10-30mm Hg.
Adrenalin: Auch Adrenalin wirkt auf alpha- und beta-Rezeptoren. Es steht als L-Adrenalin (Ampulle mit 2mg in 20ml) und als Suprarenin (1mg/ ml) zur Verfügung. Das 1ml L-Adrenalin mit 9ml NaCl aufziehen oder 1ml Suprarenin in 100ml NaCl (das heißt dann „Suprablitz“) führt zum selben Ergebnis: 10mcg bzw 0,01mg pro ml können einfach gespritzt werden.
Phenylephrin: Ist bei uns als 10mg/ ml-Ampulle (Handelsname: Neosynephrine) erhätlich, was natürlich viel zu potent ist (pur kann das echt gefährlich werden!!!). Daher: Eine Ampulle auf 100ml NaCl aufziehen, daraus ml-weise herausnehmen. 1ml enthält dann 100mcg = 0,1mg. Unbedingt die Flasche beschriften – damit das dann nicht unbeabsichtigt als Kurzinfusion benützt wird! Auch hier gilt wieder: 1-2ml vorsichtig bis zur gewünschten Wirkung titrieren. „Neosyn“ wirkt vorwiegend auf alpha1-Rezeptoren, macht also hauptsächlich die Peripherie eng und hat wenig Einfluss auf die Herzfrequenz, es kann jedoch reflektorisch zu einer Senkung der Herzfrequenz führen. Das Herzzeitvolumen kann also leicht sinken, der myokardiale O2-Verbrauch steigt nicht so stark wie bei Ephedrin (natürlich muss das kranke, schwache Herz gegen mehr Nachlast anpumpen was auch seine Nachteile bringt …)
Noradrenalin: Kennen wir eher als Perfusormedikament unter dem Handelsnamen Arterenol. Im Notfall aber einen Perfusor herrichten usw. hat wie oben schon erwähnt eben seine Nachteile. Ich bin kein Fan davon, ist jedoch Geschmacksache (damit meine ich jetzt wirklich den akuten Notfall – Intensivmedizin, längere OPs, Transporte und so weiter ist natürlich wieder was anderes!). 1mg in einer 1ml Noradrenalin-Ampulle, auf 100ml NaCl aufziehen – und auch wieder Bolus-weise geben. Auch Noradrenalin wirkt überwiegend auf alpha1-Rezeptoren, minimal auf beta1-Rezeptoren. Daher werden PatientInnen nicht reflektorisch bradykard wie bei Neosyn.
Abb. 1: Übersicht über mögliche Push Dose Pressors
Eines dieser Medikamente ist wahrscheinlich in den meisten Krankenhäusern/ NAWs/ NEFs verfügbar, es hilft sehr, wenn man sich nach zumindest mit einem davon vertraut macht und für Notfallsituationen gedanklich bereithält. Und evtl. schon mit den Narkosemedikamenten vor der Narkoseeinleitung aufziehen lässt, so kann man Stress reduzieren und wertvolle Zeit gewinnen.
Wichtig: Zu einer guten Narkose gehört auch ein adäquates Monitoring damit die Hypotension überhaupt bemerkt werden kann. Und: mit den optimalen Narkosemedikamenten kann die Hypotension nach dem Einleiten zumindest in Grenzen gehalten wenn nicht gar vermieden werden (ich sage nur: Ketanest + Esmeron). Außerdem gehören zu einer dauerhaften Therapie der Hypotension immer auch die Beseitigung der Ursache (also zB Volumen und evtl Blutprodukte bei Hypovolämie/ Schock). Aber all diese Themen (Monitoring, Volumenmanagement und Narkoseschemata) würden den Rahmen hier sprengen und sind vielleicht bald einmal eigene Beiträge hier wert… 🙂
Natürlich gilt: Bitte unbedingt die Dosierungen hier auf Richtigkeit überprüfen und schauen, welche Ampullengrößen bei euch vorrätig sind.
Literatur:
Newton A, Ratchford A, Khan I. Incidence of adverse events during prehospital rapid sequence intubation: A review of one year on the London helicopter emergency medical service. J Trauma 2008; 64: 487-492
Bernhard, M. et al. Handlungsempfehlung zur prähospitalen Notfallnarkose beim Erwachsenen
Weingart, S. Push-dose pressors for immediate blood pressure control. Clin Exp Emerg Med. 2015;2 (2): 131-132. doi:https://doi.org/10.15441/ceem.15.010
Brunauer A, Kokofer A, Bataar O, Gradwohl-Matis I, Dankl D, Dunser MW. The arterial blood pressure associated with terminal cardiovascular collapse in critically ill patients: a retrospective cohort study. Crit Care 2014; 18:719.
FOAM:
https://emcrit.org/wp-content/uploads/push-dose-pressors.pdf
@EMUpdates hat in Berlin den
„dirty epi drip“ als Alternative angepriesen.
Schon jemand ausprobiert?
http://www.aliem.com/2013/06/dirtyepi/
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Hi!Nein, hab auch keine Erfahrung damit. Aber könnte man mMn durchaus mal versuchen.
Gib Bescheid, falls du das mal angewendet hast!
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