In der aktuellen Ausgabe der AINS gibt es eine übersichtliche Zusammenfassung der Behandlung des Ertrinkungsunfalls – passend zum aktuellen Hochsommer. In den Medien lesen wir ja im Moment leider mehrmals pro Woche von Ertrunkenen aller Altersgruppen… Aus diesem Anlass lohnt es sich, die ERC-Guidelines zu diesem Thema (Kapitel 8: CPR unter besonderen Umständen) durchzulesen, ein paar besonders interessante und wichtige Facts haben wir hier herausgearbeitet.
Die ERC-Guideline betonen, dass Ertrinken eine der häufigsten unfallbedingten Todesursachen ist – in der Altersgruppe von 5-14 Jahren sogar die häufigste Todesursache, insgesamt sind jedoch 50% der Opfer älter als 50 Jahre. Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
Die alten Definitionen und Unterscheidungen wie zB „Beinahe-Ertrinken“, Ertrinkungsunfall in Süß-/ Salzwasser werden nicht mehr verwendet – sobald eine Submersion oder Immersion in eine Flüssigkeit „die das Luftholen verhindert“ stattfindet, spricht man von einem Ertrinkungsunfall.
Die Therapie der oder des Verunfallten besteht aus vier Phasen, die ineinander übergreifen:
- Rettung (Eigenschutz!!)
- Basismaßnahmen (BLS, frühe Beatmung!!)
- ALS
- Reanimationsnachsorge
Da der Kreislaufstillstand in der überwiegenden Zahl der Fälle hypoxisch bedingt ist, wird in den ERC-Guidelines sowie Sekundärliteratur auf die Wichtigkeit einer frühen Atemspende (evtl noch im Wasser) hingewiesen: „Die erste und wichtigste Therapiemaßnahme bei Ertrinkungsopfern ist die Verminderung der Hypoxämie“ empfehlen die ERC-Guidelines. Sprich: As soon as possible 5 initiale Beatmungen, am Besten mit hochkonzentriertem O2.
Auch immer wichtig: Aufpassen bei einer eventuellen Defibrillation – 1. muss der nasse Körper vorher abgetrocknet werden und 2. soll unter 30 Grad Körperkerntemperatur nur 3mal geschockt werden. Auch die Medikamentengabe verändert sich bei niedrigerer Körperkerntemperatur: Unter 30 Grad sollten keine Medikas verabreicht werden, zwischen 30 und 35 Grad Körperkerntemperatur im doppelten Zeitintervall da die Verstoffwechselung verlangsamt ist.
Apropos Temperatur: Grundsätzlich ist ein (vor allem rasches) Auskühlen des/ der Verunfallten nicht schlecht, der Sauerstoffbedarf sinkt pro Grad Auskühlen um ca. 8%. Bei PatientInnen bei Bewusstsein sollte jedoch ein weiteres Auskühlen unbedingt verhindert werden.
Im Update-Artikel in meinem Lieblings-Journal AINS wird auch schön auf die wichtigen Aspekte für die Behandlung von Überlebenden auf der Intensivstation eingegangen: Die Kombination aus aspiriertem Wasser, Auswaschung von Surfactant und Permeabilitätsstörung in der Lunge kann sich klinisch in folgenden Krankheitsbildern zeigen:
- Lungenödem
- Diffusionsstörungen
- Bildung von Atelektasen
- Bronchospasmus
- Reduktion der Compliance der Lunge
- etc.
Auch wenn die Datenlage dünn ist empfiehlt sich eine lungenprotektive Beatmung ähnlich der beim ARDS.
Literatur:
- Struden MS et al. Update Ertrinkungsunfall – Präklinische und klinische Therapiestrategien. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50(07/08): 462-469
- Soar J et al. Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen: Elektrolytstörungen, Vergiftungen, Ertrinken, Unterkühlung, Hitzekrankheit, Asthma, Anaphylaxie, Herzchirurgie, Trauma, Schwangerschaft, Stromunfall. Notfall + Rettungsmedizin November 2010, Volume 13, Issue 7, pp 679-722